Gourmet

Harter Panzer, delikater Kern: Wie knackt man Krebse richtig?

Sie stehen auf den Speisenkarten der teuersten Restaurants, vor allem in Küstenregionen. Doch um an ihr kostbares Fleisch zu kommen, muss man sie erstmal knacken: Denn Flusskrebse verstecken ihre Delikatessen unter harten Schalen und in gepanzerten Scheren. Das schreckt viele ab. Sie fürchten, sich beim Zerlegen der krustigen Biester zu blamieren.

«Keine Angst, das ist einfacher als man denkt», beruhigt Catherine Rydström von der Tourismusorganisation «Destination Småland». Die Schwedin muss es wissen. In ihrem Land gibt es ein extra Festessen – das «Kräftskiva». Das jährliche Krebsfest wird genauso gefeiert wie Midsommar oder Weihnachten. Und so lernen in Schweden schon kleine Kinder, wie geknackt, gesaugt, gestochert und geschlürft wird.

Wer Glück hat und in Schweden einen See besitzt oder einen Besitzer kennt, kann sogar dabei sein, wenn die Mini-Hummer «geerntet» werden. Denn nur der Eigentümer des Gewässers verfügt über die Fischereilizenz, um spezielle Korbfallen auszulegen und einzusammeln. «Wenn die Krebse kleiner als zehn Zentimeter sind, kommen sie allerdings wieder ins Wasser», sagt Gustav Forslund, der auf Gut Asa Herrgård 45 Autominuten von Växjö entfernt arbeitet. Fangfrisch werden die Flusskrebse allerdings nicht gegessen.

Die Innereien kann man mit einem Schalentiermesser herauskratzen, um zu schauen, ob unter dem Rücken des Krebses eine weiße Creme ist. Die ist sehr selten und eine besondere Delikatesse, die weiße Butter genannt wird. Foto: Zacharie Scheurer/dpa-tmn

Flusskrebse landen für 24 Stunden in einem Sud

Wenn Gustav seinen Fang in der Restaurantküche abliefert, landen die kleinen Krustentiere im Kochtopf von Pontus Sjöholm und werden 24 Stunden mariniert. Der Chefkoch bereitet für etwa 120 Krebse einen Sud aus 10 Litern stark kochendem Wasser, 480 g groben Meersalz, 10 Würfel Zucker, eine Flasche Bier und 4 Bund Kronendill zu. Und noch mehr frischer Dill kommt obendrauf.

In dem brodelnden Sud wechseln die Krustentiere ihre Farbe – von Schwarz-grün-bräunlich zu feurigem Orange-Rot. «Nach 10 Minuten Kochzeit kommt der Topf zum Abkühlen in ein kaltes Wasserbad. Darin ziehen die Krebse über Nacht und nehmen einen kräftigen Dill-Geschmack an», erklärt Pontus.

Ist jetzt der Moment gekommen, über die Krustentiere herzufallen? «Auf keinen Fall, man muss sich doch erst satt essen», bremst Carl Undéhn. Für die Flusskrebsparty brauche man eine Basis. «Man darf nicht hungrig sein, denn an den Krebsen ist nicht viel dran», erklärt der schwedische Journalist. Bei einer Kräftskiva gäbe es vorweg erstmal ein Buffet mit Kartoffelsalat, Käse und reichlich Pies.

Vor dem Krebsessen kommt erst die Käse-Quiche

Und es darf auf keinen Fall eine traditionelle Käse-Quiche fehlen. «Dazu verwenden wir Västerbottenost. Das ist ein würziger Käse, ähnlich wie Parmesan», weiß Carl. Der Hartkäse werde gerieben und dann unter eine Masse aus 2 bis 3 Eiern, einem halben Teelöffel Salz, etwas weißen Pfeffer, einem Liter Sahne und 2 Litern Milch gezogen. «Das Ganze kommt auf einen normalen Quiche-Teig und wird etwa eine halbe Stunde bei 200 Grad gebacken», verrät Carl sein Rezept.

Mit dieser Grundlage im Bauch heißt es: ran an die Krebse! Carl startet immer mit dem Schwanz: «Man hält den Panzer gut fest und dreht den Schwanz ab.» Dann drücke man die einzelnen Schwanzglieder zwischen Daumen und Zeigefinger zusammen. Dabei macht es «knack-knack» und man könne die Schale leicht abpulen. «Das ist der leckerste Teil», findet der Journalist. Falls noch ein schwarzer Faden zu sehen ist, werde der abgezogen. Er sei ein Stück vom Darm.

Als nächstes kommen die Scheren dran, die man einfach abdreht. «Davon breche ich den kleineren Teil ab und zerquetsche den größeren zwischen den Fingern.» Carl gibt allerdings zu, dass das für manch einen schwer geht. Doch er kennt einen Trick: «Mit einer Krebszange kann man nachhelfen. Ist keine zur Hand, nimmt man einfach einen Nussknacker.» Dann muss nur noch die gesprungene Schere abgepult werden und es kommt ein weiteres Stückchen Krebsfleisch zum Vorschein.

Weiße Creme unterm Rücken ist wie ein Lottogewinn

Während Carl den Panzer in der Mitte auslässt («zu viel undefinierbare Dinge»), genießt Catherine das Mittelteil. Allerdings isst sie es nicht, sondern saugt nur den Geschmack aus. Dann kratzt sie die Innereien mit einem Schalentiermesser heraus und schaut, ob unter dem Rücken eine weiße Creme ist. «Die ist ein Leckerbissen. Wir nennen sie weiße Butter. Sie ist nur bei wenigen Krebsen vorhanden», verrät die Småland-Botschafterin.

Unterbrochen wird das Knacken und Pulen immer wieder durch ein «Skål» (schwedisch für Prost). Das ist das Zeichen für die Tisch-Gesellschaft, dass jetzt ein Lied gesungen wird und ein Schnaps fällig ist. Dann heißt es: die nächste Runde Krebsefassen.

Wenn zum Schluss nur noch Berge von Schalen und Scheren zu sehen sind, bloß nicht wegwerfen. «Daraus kochen wir Brühe. Sie ist eine fantastische Grundlage für die nächste Fischsuppe», verrät Chefkoch Pontus. (dpa/Foto: Zacharie Scheurer/dpa-tmn)

Das könnte Sie auch interessieren