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St.Vither „Post“ feiert 40 Jahre Michelin-Stern

1975 begann Arno Pankert damit, aus dem Café-Restaurant „Zur Post“ ein Gastronomierestaurant zur machen. Nur zwei Jahre später erhielt das Haus in der St.Vither Hauptstraße einen Michelin-Stern, den es nun seit 40 Jahren verteidigt. Nur zwei Restaurants dürfen sich in ganz Belgien bereits länger mit einem Stern zieren. 2003 gab Arno Pankert den Löffel in der Küche an seinen Sohn Eric weiter, mit dem „Apéro – Essen und Trinken in Ostbelgien“ anlässlich des Jubiläums folgendes Gespräch führte.

Bis 1975 war die Post in der St.Vither Hauptstadt  in erster Linie ein Café-Restaurant. Wie hat die Kundschaft den Umbau zum Gastronomierestaurant damals bewertet?

Das war für unser St.Vither Publikum ein kleiner Skandal. Viele Stammgäste kehrten bei uns ein, um ihr Bier zu trinken und einen „Klaaf“ zu halten. Das war nicht mehr erwünscht. Meine Eltern haben sogar die Sessel vor die Theke geschoben, sodass sich dort niemand mehr hinstellen konnte. Die Leute waren wirklich empört. Meine Oma hatte ja schon immer ein Restaurant mit einer gutbürgerlichen Küche, doch mein Vater wollte nach dem Besuch der Hotelfachschule in Lüttich das,  was er dort gelernt hatte, auch den Kunden anbieten, selbst wenn die Gerichte hier noch nicht so bekannt waren. Die Kneipe war nicht so sein Ding.

1977 erhielt das Restaurant den ersten Michelin-Stern. Was bedeutete dies damals für das Haus?

Das war schon eine Sensation, auch wenn er darauf hin gearbeitet hatte. Wir waren ja tiefste Provinz. Es gab keine Autobahn und der Weg nach Malmedy war nur einspurig. Ich rechne meinem Vater hoch an, was er damals unter diesen Bedingungen geschafft hat.

Wie kamen die Waren damals ohne Autobahn nach St.Vith?

Das war eine riesige Herausforderung, fast noch schwerer als das Kochen an sich. Die Ware, die aus Paris kam, wurde in Brüssel in eine Eisenwanne geworfen, die mein Vater der Bahn zur Verfügung gestellt hatte und die wir übrigens immer noch haben. In Vielsalm nahm mein Vater dann die Ware am Freitag um 18.20 Uhr in Empfang, sodass sie gegen 19 Uhr unsere Küche erreichte. Die Produkte waren super frisch, der Transportwerg aber atemberaubend.

Nach der „Moulin Hideux“ in Bouillon und dem „Comme chez soi“ in Brüssel ist die „Post“ in St.Vith das Restaurant in Belgien, das am drittlängsten einen Stern sein Eigen nennen darf. Was ist das Erfolgsgeheimnis für diese Konstanz über vier Jahrzehnte hinweg?

Vielleicht währt Ehrlichkeit am längsten. Mein Vater war immer ein ehrlicher Koch, der ohne jede Trickserei auskam und für den die Produktqualität immer sehr, sehr wichtig war. Er ist seinen Weg gegangen und hat sich nicht von anderen beeinflussen lassen. Der Rückhalt seiner Frau, meiner Mutter, war natürlich ausgeprochen wichtig. Meine Mutter damals und Carina heute sind die Seele des Hauses. Ohne den richtigen Partner kann man das gar nicht machen.

Carina und Eric Pankert lenken seit 2033 in die Geschicke des Restaurants "Zur Post". Fotos: Nicolas Lambert

Carina und Eric Pankert lenken seit 2003 die Geschicke des Restaurants „Zur Post“. Fotos: Nicolas Lambert

1989 folgte der zweite Stern, der 2003  bei der Übergabe verloren ging. Auch das Brüsseler Traditionshaus Comme chez soi musste bei der Übergabe von Pierre Wynants an Schwiegersohn Lionel Rigolet einen Stern (von drei auf zwei) abgeben. Ist die Rückeroberung noch ein Thema? Was erwarten die Tester dafür? Oder anders gefragt: Was fehlt der „Post“ aktuell?

Thema ist das nicht. Auf der anderen Seite ist man natürlich immer bestrebt, das Beste zu tun. Irgendwie will man ja immer besser werden und einen Schritt nach vorne machen. Trotz des ständigen Verbesserungsprozesses glaube ich nicht daran, dass uns die Rückeroberung gelingen wird. Das Niveau ist in den letzten Jahren enorm gestiegen. Wenn ich bei den Kollegen beobachte, welche Ansprüche sie hierfür erfüllen müssen, welche Details hier zählen, dann weiß ich nicht, ob dies unser Weg sein soll. Das Ganze muss man auch rational sehen, denn viele kleine Sachen kosten einfach viel Geld und Arbeit. Ich bleibe lieber beim Wesentlichen und biete unseren Gästen einen bodenständigen Stern. Wirtschaftlich dreht der Betrieb, meine Beziehung ist intakt und die Stimmung im Personal gut: Was will ich mehr? Ich sehe keinen Grund, etwas zu ändern.

Stammkunden sind für Sie ein großes Thema. Wie würden Sie Ihren Stammkunden beschreiben? Woher kommt er?

Ich gehe davon aus, dass  wir 80 Prozent Stammgäste haben. Die Rückkehr des Kunden ist eigentlich das größte Kompliment. Der obere Mittelstand ist unsere größte Kundschaft. Wir spüren aber seit geraumer Zeit einen deutlich angewachsenen ostbelgischen Kundenkreis – darunter auch viele junge Leute, die sich ein schönes Essen leisten wollen.  Sehr gut wird beispielsweise unser 100-Euro-All-in-Paket angenommen, das wir mittwochs und donnerstags anbieten.

Flämische Kollegen stellen  fest, dass der jüngere Restaurantbesucher nicht mehr über Stunden hinweg ruhig an einem Tisch setzen will, geben ihren Stern zurück und verfolgen ganz andere Gastronomiekonzepte. Haben Sie auch schon mal mit diesem Gedanken gespielt?

Nein, das nicht. Wir stellen fest, dass wir  im Vergleich zu anderen Restaurants mehr Luxus bieten. Der Michelin gibt uns ja auch drei Bestecke in Rot, was die besondere Atmosphäre  widerspiegelt. Wir sind ein Haus für den besonderen Moment. Bei uns bleiben viele Gäste gerne auch sehr lange sitzen.

Sie haben in den vergangenen Jahren viele Trends beobachtet. Zunächst dominierte die spanische Küche, dann blickten alle Feinschmecker nach Skandinavien und schließlich war wieder die Regionalküche angesagt. Wo stehen wir im Jahre 2017?

Die regionale Küche ist zurzeit sehr wichtig. Diese ganzen Trends habe mich enorm genervt. Ich habe da die Linie meines Vaters fortgeführt und bin  meinen Weg gegangen.  Natürlich schaue ich links und rechts und laufe nicht mit Scheuklappen durch die Gegend, aber ich bin nicht jedem Trend hinterhergelaufen. Ich kenne einen belgischen Zwei-Sterne-Koch, der erfindet sich derzeit zum dritten Mal neu. Aber das ist seine Sache.

War für Sie jemals ein zweites Haus, an einem anderen Standort und  mit einer einfacheren Küche, ein Thema?
Ich habe mal darüber nachgedacht, aber nur ganz kurz. Ich habe genug Arbeit und war nicht darauf aus, mir noch neue Sorgen zu verschaffen.

Sie gelten als „Klassiker“, als Verfechter der klassischen französischen Küche, und haben den Hummersalat oder die Wildsaucen über Jahre kaum verändert. Wie reagieren Sie auf Trends? Es gab auch bei Ihnen auf einmal mehr Schäumchen.

Ich habe nie Molekularküche geboten. Mit der Prozedur, wie ich einen Milchschaum auf einen Cappuccino bekomme, kann ich Saucen machen. Durch unterschiedliche Texturen kann man was Leckeres machen. Das liebe ich … und meine Kunden.

„Der Stern für Ricarda ist für die ganze Region eine äußerst positive Sache.“

Sind die Ideen in der Küche auch irgendwie ausgereizt, alle Produkte und die technische Entwicklung an ihre Grenzen gestoßen?
Das müsste man eigentlich vermuten, aber vielleicht kommt eines Tages jemand und erfindet etwas ganz Neues. Seit 40 Jahren gehe ich nun in Sternerestaurant und das fast monatlich. Ich glaube sagen zu dürfen, dass ich inzwischen viel gesehen habe. Ich habe meinen Stil und  weiß, was ich will.

Wie bewerten Sie die Entwicklung in Ostbelgien? Vor einigen Jahren stieß die Menuisiere (Champagne/Weismes) in den Kreis der Sternegastronomie hinzu, im vergangenen Jahr das Quadras von „Nachbarin“ Ricarda Grommes. Ist es um die ostbelgische Küche wirklich so gut bestellt, wie man denken könnte?
Das ist ein toller Trend und das sind zwei tolle, junge Kollegen. Ich spüre es bei der jungen Kundschaft, die zunächst in einem der beiden Häuser war und sich dann sagt: „Jetzt gehe ich aber auch mal bei Zur Post essen.“ Bei den Schnupperwochen haben wir einige Kandidaten, das war früher nicht der Fall. Und wir stellen fest, dass wir 2017 besser als 2016 arbeiten. Der Stern für Ricarda ist für die ganze Region eine äußerst positive Sache. Viele meinen wahrscheinlich, dass wir als Nachbarn dadurch verlieren würden. Aber genau das Gegenteil ist der Fall. Ich habe den Eindruck, dass in Ostbelgien durch die Berichterstattung eine Sensibilisierung für die Spitzengastronomie stattgefunden hat.

Wie haben Sie die Einführung der Registrierkassen, der sogenannten Blackbox, erlebt. Viele Gastronomen haben Ihre Öffnungszeiten angepasst. Wie haben Sie auf die Entwicklung reagiert?
Wir haben die Arbeitszeiten angepasst, was vielleicht der einzige positive Nebenaspekt  ist. So haben wir jetzt auch den Dienstagabend geschlossen. Dies hat uns keine Kunden gekostet, nur die Kundschaft auf den Mittwoch und Donnerstag verlagert.

Kevin Ohles, Carina Pankert, Ricarda Grommes und Eric Pankert (v.l.) bei der Michelin-Verleihung im November 2016. Foto: privat

Kevin Ohles, Carina Pankert, Ricarda Grommes und Eric Pankert (v.l.) bei der Michelin-Verleihung im November 2016. Foto: privat

Viele Ihrer Kollegen stöhnen über die Schwierigkeit, qualifiziertes Personal zu finden. Gilt das auch für die Top-Gastronomie oder haben Sie es einfacher, weil einige Jahre im Sternehaus sich gut im Lebenslauf machen und der Lerneffekt groß ist?
Ich habe im Moment eine sehr gute, motivierte Mannschaft, die vier, fünf Jahre zusammen ist. Die Situation ist aber nicht einfach. Vielleicht habe ich die letzten Jahre einfach Glück gehabt, aber das kann sich auch wieder mal ändern. Ich habe auch einen jungen Kollegen, von dem ich mir vorstellen kann, dass er eines Tages in meine Fußstapfen tritt. (hegen)

 

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