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Ende der Dreieinigkeit am Mittagstisch – der Trend heißt Snack

Der Geschmack der großen weiten Welt, aber gleichzeitig Regionalität – in einer Multikulti-Metropole wie Frankfurt ist das kein Problem. Im «Food Report 2020», den die Trendforscherin Hanni Rützler in dieser Woche in Frankfurt vorgestellt hat, hat das auch einen Namen: Glokal, eben global und lokal zugleich. Die Konsumenten sind einerseits oft reiseerfahren, legen andererseits Wert auf Umwelt- und Klimaschutz. Auch Lebensmittelverpackung ist für Rützler ein Foodtrend. «Auch wenn wir vorläufig nicht ganz darauf verzichten können, brauchen wir viele neue Antworten», sagt die Österreicherin.

In ihrem «Food Report», der von dem von Matthias Horx gegründeten Zukunftsinstitut zusammen mit der Lebensmittel Zeitung und der dfv Mediengruppe herausgegeben wird, sieht Ernährungswissenschaftlerin Rützler eine regelrechte Revolution der Esskultur. Der Mensch sei nicht mehr nur das, was er isst, sondern «immer mehr auch das, was er bewusst nicht isst», sagt sie. Der Wunsch nach gesundem Essen ist für sie ein Trend, der noch weiter anhält und auch für Fast Food gelten soll. «Das kann auch vegetarisch oder vegan sein.»

Die Trendforscherin Hanni Rützler hat in ihrem «Food Report 2020» die sogenannte Snackification als einen der neuen Essenstrends ausgemacht. Foto: Nicole Heiling/Hanni Rützler/dpa

Auch wenn Gemüse eine Hauptrolle auf dem Teller spielt, ist die Trendforscherin nach Studien der Gastro-Szene und der Analyse von Ernährungsverhalten nicht von einer veganen Leitkultur der Zukunft überzeugt. «Wenn man eine Esskultur von heute auf morgen vom Tisch wischt, kann das nicht mehrheitsfähig sein», sagt sie. Spannend sei «der rasante Anstieg der Flexitarier, also von Menschen, die Fleisch essen – aber nicht immer und nicht jedes Fleisch.» Wenn Fleisch gekauft werde, dann bewusst und verbunden mit der Frage nach Herkunft und Haltung des Tieres.

Aber nicht nur was auf den Teller kommt, unterliegt derzeit einem Wandel, der auch die nächsten Jahre bestimmen wird, urteilt Rützler. «Der strikte Glaube an die Dreieinigkeit von Vorspeise, Hauptgang und Dessert» werde ersetzt von kreativeren Essmöglichkeiten, beschreibt sie den Trend zur «Snackification».

Damit ist nicht der Griff zum Schokoriegel in der Schreibtischschublade gemeint, sondern zu einer kleinen Mahlzeit – Mini-Mahlzeiten, wie Rützler sie auch nennt. Das kann etwas selbst Zusammengestelltes sein, an einem Food-Truck bestellt sein oder aus dem Kühlregal im Supermarkt stammen. Weniger essen, aber durchaus leicht und gern auch gesund, nicht zu festen Zeiten wie beim traditionellen Frühstück, Mittagessen oder Abendbrot, sondern wann immer man Lust auf diesen Snack hat.

«Noch nie war es möglich, so frei und unabhängig über Essen zu entscheiden», sagt Rützler. Immer vorausgesetzt, das Budget stimmt. Denn Food Trends, so räumt sie ein, seien ein Phänomen der Wohlstandsgesellschaft. Hinzu komme die allgemeine Bevölkerungsentwicklung: «Prognosen und Daten zeigen, dass die Einpersonenhaushalte langsam, aber sehr stetig steigen.»

Da stelle sich nicht nur die Frage, ob man überhaupt kochen wolle, sondern, ob es Spaß mache, alleine zu essen. Doch was heißt schon alleine? «Jetzt teilt man das Essen durch die Fotos und kommuniziert mit seinem Netzwerk, während man isst», sagt Rützler. «Man sieht, was die anderen machen und was sie essen. Man kaut nicht lustlos im Essen, sondern teilt das Thema.»

Über die Ästhetik des über soziale Netzwerke geteilten Essens hinaus veränderten auch Kunst und Design den Blick auf das Essen, glaubt die Trendforscherin. Bei der Vorstellung des Reports in einer Frankfurter Galerie gilt dies etwa für die Mainzer Konzeptkünstlerin Christine Straszewski, die die Installation eines alchemistischen Labors präsentiert, in dem die klassischen Nasch-Produkte eines «Pfennig-Büdchens» arrangiert sind. «Nur nicht so scheu!» ruft die Künstlerin. Probieren sei ausdrücklich erwünscht. Schmeckt irgendwie nach Kindheitserinnerungen. «So soll das ja auch sein», sagt Straszewski und rückt eine Weingummischlange zurecht. Auch in der Kunst isst das Auge schließlich mit. (dpa/Foto: Arne Dedert/dpa)

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