„Was einer nicht schafft, das schaffen viele“ – diesem Ideal der Genossenschaftsbewegung folgen zahlreiche deutsche Winzer. Die älteste Winzergenossenschaft Deutschlands wird jetzt 150 Jahre alt. Ende 1868 waren es 18 Winzer in Mayschoß in Rheinland-Pfalz, die im unteren Ahrtal den Anstoß des Sozialreformers Friedrich Wilhelm Raiffeisen (1818-1888) aufnahmen und sich zusammenschlossen.
„Sie waren in der damaligen Wirtschaftskrise nicht in der Lage, ihren Wein mit Gewinn zu vermarkten“, erklärt der Chef der Winzergenossenschaft Mayschoß-Altenahr, Matthias Baltes. Nach dem Vertrieb wurde dann auch die Kellerwirtschaft, also der Ausbau der Weine im Fass, von der Genossenschaft übernommen. So konnten sich die Winzer ganz auf die Arbeiten im Weinberg konzentrieren.
Inzwischen gibt es in Deutschland nach Angaben des Deutschen Weininstituts 160 Genossenschaften mit einem Umsatz von 800 Millionen Euro. Nahezu 30 Prozent der gesamten Weinerzeugung in Deutschland entfallen auf die genossenschaftliche Produktion. Schwerpunkt ist Baden-Württemberg mit 115 Genossenschaften. Dem Konzentrationsprozess in der Weinbranche insgesamt konnten sich auch die Genossenschaften nicht entziehen. So gab es 1960 noch 543 Winzergenossenschaften, davon 441 mit eigener Kellerwirtschaft. Bis in dieses Jahrzehnt hinein verringerte sich die Zahl der Genossenschaften durch Fusionen. Die von ihnen bewirtschaftete Rebfläche erreichte 1990/91 mit 37 148 Hektar ihren Höhepunkt, gegenwärtig sind es mehr als 28.000 Hektar.
„Der Zusammenschluss zu einer Genossenschaft führt zu größeren Produktionsmengen, die besser auf dem Markt angeboten werden können“, erklärt der rheinland-pfälzische Weinbauminister Volker Wissing nach einem Besuch bei der Winzergenossenschaft Mayschoß-Altenahr. „Einheitliche Produktlinien stärken den Marktauftritt und erhöhen die Wahrnehmung bei den Konsumenten.“ Eine Genossenschaft biete somit gerade kleineren Betrieben eine wirtschaftliche Perspektive. Wenn die Genossenschaft überbetriebliche Aufgaben wie den Ausbau der Weine, Marketing und Vertrieb übernehme, könnten sich die Winzer ganz auf die Pflege ihrer Weinreben konzentrieren.
„Die Genossenschaft hat den Vorteil, größere Mengen gleichbleibend auch mit hohen Qualitäten zu produzieren“, sagt Ernst Büscher vom Deutschen Weininstitut. Kein einzelnes Weingut könne sich so viele Mitarbeiter leisten wie eine Winzergenossenschaft. Bei größerer Menge seien Investitionen etwa in die Kellertechnik eher profitabel, auch könnten Maschinen effizienter ausgelastet werden.
„Keiner unserer 50 Winzer könnte die immensen Investitionen in Technik und Vermarktung alleine stemmen“, sagt Bastian Klohr, Geschäftsführer der 116 Jahre alten Winzergenossenschaft Weinbiet Manufaktur in Neustadt an der Weinstraße im südlichen Rheinland-Pfalz. „Jeder macht in der Arbeitsteilung, was er am besten kann.“ Die Genossenschaft mit einer Weinbergsfläche von 325 Hektar sieht sich als Non-Profit-Einrichtung im Dienste ihrer Mitglieder. Die Erträge aus dem Weinverkauf werden an die Winzer verteilt, nach den Anteilen der von ihnen gelieferten Trauben. Für die Genossenschaft bleibt eine „schwarze Null“.
„Wir legen Wert darauf, auch das Segment der Premium-Weine gut bedienen zu können“
Mit einer Rebfläche von 150 Hektar gehört die Winzergenossenschaft Mayschoß-Altenahr zu den kleineren Genossenschaften. Sie beschäftigt 33 festangestellte Mitarbeiter und etwa 100 Menschen mit geringfügiger Beschäftigung. Die Genossenschaft zählt 444 Mitglieder, von denen etwa die Hälfte aktive Winzer sind. Die übrigen sind oft ehemalige Winzer, die den Nebenerwerb aufgegeben haben, aber weiter mit der Genossenschaft verbunden bleiben wollen. Innerhalb der Genossenschaft gebe es eine gewisse Verschiebung hin zu größeren Betrieben, sagt Baltes. In den Steillagen des Ahrtals aber werde der Weinbau meist von kleinen Nebenerwerbswinzern betrieben, vielfach mit weniger als einem halben Hektar.
Unglücklich sind die Genossenschaften mit dem bei manchen Weintrinkern verfestigten Vorurteil einer vermeintlich schlechteren Qualität von Genossenschaftsweinen. «Die Weine von Genossenschaften sind nicht ‚per se‘ schlechter oder besser als die von anderen Weinunternehmen“, betonte der Geschäftsführer der Lauffener Weingärtner im Neckartal, Marian Kopp, kürzlich in einem Leserbrief der Fachzeitschrift „Weinwirtschaft“.
„Wir legen Wert darauf, auch das Segment der Premium-Weine gut bedienen zu können“, sagt Baltes für den Jubilar an der Ahr. „Wir sind eine Genossenschaft, die auf VDP-Niveau arbeitet“ – VDP ist der 1910 gegründete Verband Deutscher Prädikatsweingüter mit 197 Weingütern und festgelegten Qualitätskriterien vom Gutswein bis zur „Großen Lage“. Die Spätburgunder von Mayschoß-Altenahr werden im Barrique-Fass ausgebaut – „da müssen wir den Vergleich mit französischen Rotweinen nicht scheuen.“ (dpa/Foto: Winzergenossenschaft Mayschoß-Altenahr/dpa)