Tee ist mindestens so alt wie die Tasse selbst – und noch immer populär. Im Sommer als Eistee in verschiedenen Geschmacksrichtungen, im Winter als Kräuter- oder Erkältungstee, zwischendurch als abwechslungsreiche Alternative zu Kaffee, Wasser, Schorle und Co. Doch was genau hat es mit dem Getränk zwischen Lifestyle und Wellness, Arznei- und Lebensmittel auf sich?
«Etwas Warmes zu trinken, scheint ein Grundbedürfnis des Menschen zu sein, gerade wenn er sich angeschlagen fühlt», erklärt Ursula Sellerberg von der deutschen Apothekerkammer. Tee lässt sich einfach zubereiten und ist dabei kalorienarm. In jedem Supermarkt gibt es mittlerweile eine riesige Auswahl an kostengünstigen und auch guten Tees.
Ritual und Lebensspender
«Alleine das Ritual des Teezubereitens und -trinkens wirkt entspannend und kann einen nach einem stressigen Tag runterfahren lassen. Das stärkt quasi indirekt das Immunsystem», sagt Prof. Robert Fürst, Direktor des Instituts für Pharmazeutische Biologie der Universität Frankfurt.
«Viele Leute denken, dass sie im Winter in geheizten Räumen nicht schwitzen, aber das stimmt nicht», erklärt Andrea Lambeck vom Berufsverband Oecotrophologie (VDOE). «Das Thema Flüssigkeitshaushalt ist auch im Winter relevant, denn der Körper verliert auch in den kalten Jahreszeiten Flüssigkeit, die in Form von Tees bestens wieder aufgenommen werden kann.»
Lebens- oder Arzneimittel?
Rechtlich gesehen gibt es zwei verschiedene Arten von Tee: Tee als Lebensmittel, zum Beispiel Hagebutten-, Kräuter- oder Schwarztee, und als Arzneitee. «Lebensmitteltees findet man im Supermarkt. Diese Tees dürfen – wie alle Lebensmittel – nicht schaden, aber niemand sollte erwarten, dass sie eine pharmazeutische Wirkung haben», erklärt Sellerberg.
Arzneitees kauft man vor allem in der Apotheke. Vereinzelt finden sich aber auch im Supermarkt oder in Drogeriemärkten Tees, die laut Packungsaufdruck frei verkäufliche Arzneimittel sind. So steht in der Drogerie ein Pfefferminztee, der Lebensmittel ist, direkt neben einem Pfefferminztee, der laut Packungsaufdruck ein Arzneimittel ist. Wie kann das sein? Und wie unterscheidet der Kunde zwischen einem Arzneitee und einem regulären Kräutertee?
«Arzneimittel, also auch Arzneitees, tragen auf der Packung eine Zulassungsnummer, die vom deutschen Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte – kurz BfArM – vergeben wird», erklärt Apothekerin Sellerberg. Bei Tees handelt es sich dabei meist um sogenannte Standardzulassungen. Bei einem als Arzneimittel zugelassenen Pfefferminztee darf der Hersteller dann zum Beispiel die Anwendungsgebiete «Krampfartige Beschwerden im Magen-Darm-Bereich sowie der Gallenblase und Gallenwege» auf die Verpackung schreiben.
Klare Qualitätsanforderungen
Die Qualität der verwendeten Pflanzen ist unterschiedlich. Für Arzneitees dürfen nur getrocknete Pflanzenteile verwendet werden, die strenge Anforderungen der Arzneibücher erfüllen. Geprüft wird laut Arzneibuch nicht nur der Gehalt an Inhaltsstoffen, sondern zum Beispiel auch, ob keine Verunreinigungen beigemischt sind.
«Die Qualitätsansprüche an einen Arzneitee sind um ein Vielfaches höher als an Lebensmitteltee», erklärt Robert Fürst. «Jede einzelne Teecharge, die ein Hersteller auf den Markt bringt, wird strengstens geprüft.»
Beispiel Kamillentee: Für Arzneitees schreibt das Arzneibuch die Verwendung der Blüten vor. «Dem Kamillentee, den man im Supermarkt kauft, sind meistens Kraut, Blätter und Stängel beigemischt. Er schmeckt nach Kamille, und das reicht für ein Lebensmittel völlig», erklärt Sellerberg. «Arzneitee mit medizinischer Wirkung enthält hingegen nur Blüten, und deshalb ist auch sein Gehalt an ätherischem Öl und anderen wertvollen Inhaltsstoffen größer.»
Hitze transportiert Inhaltsstoffe
Wer gerne ein leckeres Getränk mit Kamillengeschmack trinkt, ist mit dem Tee aus dem Supermarkt also gut – und günstiger – bedient. Wer sich vom Tee eine unterstützende Wirkung verspricht, zum Beispiel bei Magen-Darm-Beschwerden, greift vielleicht eher auf als Arzneimittel zugelassene Tees aus der Apotheke zurück.
Pharmazeutisch gesehen ist Tee ein wässriger Heißauszug: Wasserlösliche Stoffe werden unter dem Einfluss von heißem Wasser aus den Pflanzen ins Wasser gezogen. «Ein Tee macht für mich immer dann Sinn, wenn man die Inhaltsstoffe mit heißem Wasser aus den Arzneipflanzen herausbekommt und diese im Körper eine Wirkung entfalten», sagt Fürst.
Die Inhaltsstoffe sind zum Beispiel entwässernde Flavonoide, entzündungshemmende Gerbstoffe oder ätherische Öle – wobei sich letztere in heißem Wasser nur sehr bedingt lösen. «Die Öle schwimmen obenauf und verdunsten; das ist das, was man riecht, wenn man sich zum Beispiel einen Kamillentee zubereitet», erklärt Fürst. «Wenn man den Dampf von Kamillenblüten inhaliert, geht es nicht um die Lösung im Wasser, sondern um das ätherische Öl, das man einatmet. Das macht bei manchen Beschwerden mehr Sinn.»
Schwer nachweisbare Wirksamkeit
Doch wie wirksam ist Arzneitee tatsächlich? Das Problem: Klinische Studien mit Tee sind knifflig. «Jeder bereitet seinen Tee in Abhängigkeit von der Menge Tee, von der Ziehzeit und der Wassertemperatur etwas anders zu», sagt Sellerberg. «Die uneinheitliche Dosierung ist ein Nachteil von Arzneitee im Gegensatz zu industriell hergestellten pflanzlichen Arzneimitteln.»
Für viele Tees gilt daher eher das Plausibilitätsprinzip als wissenschaftliche Evidenz. «Die Zusammensetzungen von Arzneitees sind bekannt und man kann durchaus sagen, dass Arzneitees bei Befindlichkeitsstörungen gut helfen», sagt Fürst.
Arzneitee ist aber eine sanfte Therapie. «Die Inhaltsstoffe im Tee unterstützen die Selbstheilungskräfte des Körpers, vor allem bei selbstlimitierenden Krankheiten wie zum Beispiel bei einer Erkältung», sagt auch Sellerberg. «Außerdem hat Tee kaum Nebenwirkungen. Die Beschwerden werden gelindert und klingen angenehmer aus.» (dpa/Foto: Karl-Josef Hildenbrand/dpa)