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Auf Weintour im Alentejo

Im portugiesischen Alentejo erlebte der Weinanbau in den letzten zwei Jahrtausenden etliche Höhen und Tiefen. Kreative Önologen und Europas größter künstlicher Stausee haben eine neue Blütezeit gebracht. Urlauber können das schmecken – und in der Region noch viel mehr erleben.

João Rolha hat seine eigene Theorie zum Ursprung der portugiesischen Weintradition. «Vieles deutet darauf hin, dass hier im südlichen Alentejo die Wiege unseres Weines zu finden ist», sagt der junge Mann vom Tourismusamt in Mértola in der Provinz Alentejo. Seine Argumente sind nicht ganz von der Hand zu weisen.

Schon früh wurden in der Region Kupfer, Silber und Zinn entdeckt. Die Bodenschätze weckten die Begehrlichkeiten der Phönizier, Römer, Mauren, Burgunder, Spanier und Franzosen. Von den Mauren abgesehen, annektierte eine Wein trinkende Nation nach der anderen das einstige südliche Lusitanien. Wenn Rolha seine Gäste also zu einer Bootstour auf dem Río Guadiana einlädt, dann schippert man auf einer einst dicht befahrenen Handelsroute vom Alentejo zum Mittelmeer.

An den Ufern des Guadiana werden noch heute uralte Amphoren aus der mineralhaltigen Erde geborgen, die auf eine lange Weintradition hinweisen. Amphoren, wie sie noch immer von den kleinen Weingütern bei der Traubenveredelung genutzt werden – wie vor 2000 Jahren.

Der Alentejo macht ein Drittel der Fläche Portugals aus, beherbergt aber nur fünf Prozent der Bevölkerung. Durchquert man die Region, so fallen in den weiten Landschaften mit ihren sanften Hügeln zwischen Getreidefeldern und Obstplantagen die vielen Weingüter auf, deren Reben noch keine zehn Sommer gesehen haben. Die einstige Kornkammer Portugals wandelt sich zu einer Weingegend und kehrt damit zu ihren Wurzeln zurück. Denn der Weinanbau wurde erst von den Mauren und dann von Kriegen, Hungersnöten, Rebläusen und Mehltau unterbrochen.

Noch etwas überrascht in dieser Gegend, die von der Sonne verwöhnt ist und in der Vergangenheit immer wieder von Dürren geplagt wurde: der 250 Quadratkilometer große Alqueva, der größte künstliche Stausee Europas. Ein Wasserspeicher, den der Guadiana von 2002 bis 2010 gefüllt hat. Er bewässert heute auch die jungen Weingüter.

Als die Staumauer fertig war, brach auf dem Landgut Herdade do Sobroso wenige Kilometer südlich des Betondammes ein neues Zeitalter an. In den von Pinien, Olivenbäumen und Korkeichen geprägten Bergen der Serra de Portel pflanzten Nuno Teixeira Dias und seine Mitarbeiter die ersten Reben an. Mittlerweile gedeihen auf 52 Hektar sechs Rotweinsorten und drei Weißweinvarianten. «470 000 Flaschen füllen wir jährlich ab», sagt der Winzer und stellt eine Flasche des roten Sobroso Cellar Selection auf den Tisch. Mit diesem Wein gewann er eine der begehrten Goldmedaillen auf der Londoner Weinmesse.

Für Teixeira Dias und seine Familie ist der Wein zum Lebenselixier geworden. «In der einst kargen Gegend gedeihen jetzt die Früchte für eines der edelsten Getränke. Ist das nicht wunderbar?» Die Flaschenverschlüsse liefern ihm die Korkeichen an den Berghängen gratis dazu.

Seit acht Jahren teilt der Winzer seine Begeisterung für den Wein und die Landschaft mit Gästen aus aller Welt, die im Internet auf sein kleines agrotouristisches Landgut mit elf Gästezimmern stoßen. Bei einem Glas Wein auf der Terrasse mit Familie, Freunden und Gästen den Sonnenuntergang genießen – das ist für Teixeira Dias der schönste Lohn.

Noch jünger ist die Geschichte des Wein-Agrotourismus in der etwas südlicher gelegenen Herdade do Vau. Seit 2013 können es sich Gäste in den Apartments des Weingutes gemütlich machen, bei viel Sonne in den Pool oberhalb der Weinfelder eintauchen oder den Vögeln zusehen, die sich am Rande der Schutznetze genüsslich an den Trauben laben.

Stolz auf ihre Produkte: Weinherstellerin Patrícia Peixoto. Foto: Michael Juhran

Stolz auf ihre Produkte: Weinherstellerin Patrícia Peixoto. Foto: Michael Juhran

Rund herum reifen Syrah-Trauben sowie die einheimischen Sorten Touriga Nacional, Alfrocheiro und Sousão. Trotz der jungen Rebstöcke überraschen die Weine mit ihrem kräftigen Ausdruck.

Emsiger als auf den kleinen Weingütern geht es in der Casa de Santa Vitória nahe Beja zu. Hier hat die Hotelgruppe «Vila Galé» in den vergangenen 15 Jahren den Agrotourismus aufgebaut. Es gibt 76 Zimmer, acht Suiten. Das Anbaugebiet hat 1620 Hektar. «Früher war der Alentejo als Getreideanbaugebiet und weltweit größter Korkexporteur bekannt», erzählt Weinherstellerin Patrícia Peixoto. «Heute gewinnt die Region durch ihre Weinqualität an Image.»

Doch nicht nur Feinschmecker schätzen den Alentejo. Auch viele Portugiesen verbringen ihren Urlaub gerne hier zwischen Weinreben und Aprikosenplantagen. Die Gegend bietet neben Erlebnissen auf dem Bauernhof auch Jeep-Safaris, Eselwanderungen und Kanutouren.

Auch Geschichtsinteressierte finden viele spannende Orte – etwa die stilvolle Stadt Évora mit Aquädukt und Diana-Tempel, die charmante Kleinstadt Alvito mit den prächtigen Fresken in der Kirche Nossa Senhora da Assunção oder Vidigueira, die spätere Heimat Vasco da Gamas. Der Industrie- und Bergwerksgeschichte von den Römern bis ins 20. Jahrhundert begegnet man in Mina de São Domingos. Und wer noch nie in einem Kloster übernachtet hat, wird in der «Pousada de São Francisco» in Beja oder in der «Pousada Convento Arraiolos» fündig. Einen ausgezeichneten Wein gibt es in einem Kloster eigentlich immer. (dpa)

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