Das Thema Rohkost ist umstritten. Während die einen von einer Ernährung mit ausschließlich unverarbeiteten Lebensmitteln überzeugt sind, warnen andere vor einer Mangelernährung. Drei Ernährungswissenschaftler räumen mit den Vorurteilen rund um das Thema Rohkost auf.
Was genau ist Rohkost eigentlich? «Alles Gemüse, Obst und Salat, das nicht verarbeitet wurde – also nicht gedämpft, gekocht oder anderweitig gegart wurde – ist Rohkost», erklärt Prof. Helmut Heseker von der Universität Paderborn.
Der Verzehr unverarbeiteter Lebensmittel ist laut Heseker grundsätzlich empfehlenswert: «Rohkost enthält viele Vitamine und sekundäre Pflanzenstoffe, die gesund und für unseren Körper wichtig sind.»
Fünf Portionen Obst und Gemüse am Tag
Auch die Deutsche Gesellschaft für Ernährung (DGE) empfiehlt den Konsum von Rohkost. «Wer Gemüse und Obst roh isst, vermeidet einen Vitaminverlust, den das Kochen mit sich bringen kann», sagt Ernährungswissenschaftlerin Antje Gahl von der DGE. Außerdem müsse man beim Essen meistens sehr gründlich kauen, was sich positiv auf die Zahngesundheit auswirke.
Ebenfalls für Rohkost spräche der im Vergleich mit verarbeiteten Lebensmitteln häufig niedrige physiologische Brennwert. «Das heißt, dass wir bei gleichem Sättigungsgefühl weniger Kalorien aufnehmen», erklärt Gahl.
Um den Körper ausreichend mit Nährstoffen und Vitaminen zu versorgen, empfiehlt die DGE drei Portionen frisches Gemüse und zwei Portionen Obst am Tag. Das entspricht laut Gahl etwa 250 Gramm Obst und 400 Gramm Gemüse täglich. Bei der Zubereitung müsse aber auf Variation geachtet werden: «Nur ein Teil der Portionen sollte aus Rohkost bestehen, keinesfalls alles.» Einen Richtwert für die Rohkostmenge gibt die DGE aber nicht an.
Rohkost-Anhänger riskieren Nährstoffmangel
Trotz der positiven Eigenschaften raten die Experten davon ab, sich ausschließlich von Rohkost zu ernähren. «Einige Gemüse- und auch Obstsorten können nicht roh gegessen werden, da sie im unverarbeiteten Zustand unbekömmlich oder sogar giftig sind», warnt Heseker. Dazu gehörten vor allem Hülsenfrüchte wie Bohnen, Erbsen oder Linsen. Aber auch Rhabarber, Auberginen und Kartoffeln sollten vor dem Verzehr unbedingt gekocht oder auf andere Art gegart werden.
«Das in den rohen Kartoffeln enthaltene Solanin ist für unseren Körper schädlich und wird erst beim Erhitzen zerstört», erklärt Harald Seitz vom Bundeszentrum für Ernährung (BZfE). Und auch Hülsenfrüchte enthielten roh Giftstoffe, sogenannte «Fraßschützer», die für den Körper unbekömmlich seien. Wer dennoch auf das Kochen verzichtet, riskiert laut Seitz Magenkrämpfe, Durchfall und Erbrechen.
«Rohköstler, die sich ausschließlich von unverarbeiteten Lebensmitteln ernähren, haben daher einen eingeschränkten Speiseplan», so der Ernährungswissenschaftler. Doch schlimmer als der Verlust von Vielfalt sei die Gefahr der Mangelernährung. «Rohköstler können schnell einen Eisen-, Magnesium- oder Vitaminmangel bekommen, und das kann schwerwiegende gesundheitliche Folgen haben.»
Rohkost ein Teil einer ausgewogenen Ernährung
Um einen derartigen Mangel zu verhindern, raten die Experten zu einer möglichst ausgewogenen Ernährung. Dazu zählt laut DGE auch, Obst und Gemüse nicht ausschließlich roh zu essen. «Bestimmte Nährstoffe werden erst durch das Erhitzen für den Körper besser verfügbar», erklärt Gahl, «das gilt zum Beispiel für das Beta-Carotin in Karotten». Rohkost könne daher nur ein Bestandteil einer ausgewogenen Ernährung sein, versorge den Körper allein aber nicht ausreichend.
Vor allem bei der Ernährung von Kindern muss dem BZfE zufolge auf eine ausreichende Nährstoffzufuhr geachtet werden. «Gerade Kinder, die sich noch entwickeln, benötigen besonders viele Nährstoffe», sagt Seitz. «Bekommen sie diese nicht, kann es zu Entwicklungsstörungen kommen.» Auch Heneker warnt vor einer einseitigen Ernährung: «Rohkost sollte Teil einer ausgewogenen Ernährung sein, aber niemand sollte sich ausschließlich davon ernähren.» (dpa/ Foto: Frank Rumpenhorst/dpa-tmn)