Es fällt nicht leicht, den Überblick zu behalten. Ruckzuck stellt die Bedienung im „Kimchi Princess“ sehr viele Schälchen mit Kleinigkeiten vor die Gäste. Mit geübten Handgriffen schiebt sie die Tischgrills zurecht und dreht das Gas auf. Wärme steigt hoch. Sobald die Platte heiß genug ist, geht es los mit dem Brutzeln: Beim koreanischen Barbecue wird hauptsächlich mariniertes Rind- und Schweinefleisch gegrillt, aber auch Huhn oder Fisch. Geschmacklich zur Geltung kommt das Grillgut aber erst im Zusammenspiel mit dem Inhalt der vielen Schälchen.
Mut wird beim Kombinieren belohnt, sagt Young Mi Park-Snowden. Sie eröffnete das „Kimchi Princess“ in Berlin vor neun Jahren und macht vor, wie es in Korea üblich ist: In die eine Hand nimmt sie ein Salatblatt, darauf legt sie ein Sesamblatt. Das gegrillte Fleisch wird erst in geröstetes Sesamöl gedippt, dann in die Salatmulde gelegt. Jetzt folgt der Griff zu den Schälchen: Über das Rindfleisch wird eine scharfe Chili-Würzpaste gegeben. Wer mag, fügt noch mit Chili und Öl angemachten Lauch in kleinen Streifen hinzu. Und dann, endlich, ist es soweit: Park-Snowden klappt das Salatblatt geschickt zusammen und steckt es in den Mund.
Ziel ist es, das Päckchen auf einmal in den Mund zu befördern. Nicht nur, weil man dadurch verhindert, dass die Hälfte des Inhalts auf dem Schoß landet. „Sondern auch, weil sich so die verschiedenen Geschmackskomponenten perfekt verbinden – kalt und warm, scharf und süßlich“, erklärt Hyun-Jae An. Er führt in Köln das koreanische Barbecue-Restaurant „Bulgogi-Haus“.
Was ist denn nun aber in den Schälchen drin? Alles, was die Geschmacksknospen kitzelt: unter anderem eingelegter Rettich, roher Knoblauch, ein scharfer Gurkensalat, Pfannkuchen mit Lauchzwiebeln, gerösteter Seetang, Seidentofu und natürlich Kimchi (fermentierter Chinakohl). Außerdem wird traditionell Reis in kleinen Schälchen serviert.
Das Schöne an dieser Art zu essen: „Es ist unglaublich gesellig, bringt alle an einen Tisch. Man nimmt sich, was man mag und kommt miteinander ins Gespräch“, erklärt Park-Snowden. Das Barbecue ist aber nicht nur etwas für große Gruppen, sondern hilft sogar, peinliche Gesprächspausen beim ersten Date zu überbrücken: Park-Snowden erinnert sich an die E-Mail eines Pärchens, das einst ihr erstes Date am Tischgrill hatte und nun fragte, ob es in ihrem Barbecue-Restaurant nun Hochzeit feiern dürfe.
Vegetarier und Veganer sind vom Barbecue nicht ausgeschlossen: Anstelle von Fleisch kann man getrocknete Shiitake-Pilze verwenden, die zuerst in Wasser eingelegt und anschließend mariniert werden. „Sie sollten nur nicht zu lange marinieren, zehn Minuten vor dem Kochen reichen“, sagt Maangchi Kim. Die Koreanerin hat eine große Fangemeinde und postet Kochvideos auf ihrem gleichnamigen YouTube-Kanal. Außerdem hat sie ein Buch über die Küche ihrer Heimat geschrieben. Oft sei die vegetarische Version sogar beliebter als die Fleischvariante, erzählt sie.
In Restaurants und für zu Hause nimmt man meist gasbetriebene Tischgrills. In Korea wird aber meist über Holzkohle gegrillt: „Das gibt dem Fleisch natürlich nochmal ein anderes Aroma“, erklärt An. Wer beides nicht zur Hand hat, muss auf das Barbecue dennoch nicht verzichten: Entweder man verwendet die obere Platte eines Raclette-Grills. Oder Hobbyköche nehmen einfach eine Pfanne zum Anbraten. „Die Pfanne dann richtig heiß werden lassen, bevor man das Fleisch hineingibt“, rät Maangchi Kim.
In Korea kommen vor allem Schweine- und Rindfleisch auf den Grill, aber auch Huhn. Der Unterschied zum Grillfleisch in anderen Ländern ist die Größe: Statt dicker Steaks werden dünn geschnittene Streifen gebrutzelt. „Am besten lässt man sich das gleich vom Fleischer mit der Schneidemaschine vorbereiten“, rät An. In Deutschland achte man eher auf mageres Fleisch. Richtig gut schmeckt es seiner Meinung nach aber, wenn das Stück mit Fett durchzogen ist.
Nicht zu unterschätzen ist auch der Einfluss der Marinade: Bei Bulgogi, auf Deutsch „Feuerfleisch“, wird das Rind in eine süßliche Marinade eingelegt. Zutaten sind unter anderem Sesamöl, Sojasoße, Knoblauch, Ingwer und koreanische Birne. Wer die nicht hat, nimmt eine Nashi-Birne. Das genaue Rezept ist laut An ein Stück Familien- oder Betriebsgeheimnis. Er verrät aber so viel: „Meine Cousine in Korea gibt an die Marinade einen Schuss Cola. Das schmeckt fantastisch.“ Außerdem sorgt die Brause für zartes Fleisch.
Während das Rindfleisch süßlich eingelegt wird, wird das Schweinefleisch in einer scharfen Version mit mehr Chilis gewendet. Es brennt auf dem Grill außerdem stärker an. Bleibt die Frage nach dem passenden Getränk: Wer mag, probiert es mit fermentiertem Reiswein, der milchig aussieht und aus Teeschalen getrunken wird. Ansonsten kann man zum Barbecue fast alles trinken: Bier passt gut, genauso aber auch Wasser, Cocktails oder „Poricha“, ein Tee aus gerösteter Gerste.
Schon nach kurzer Zeit im Restaurant ist man beim Einwickeln ins Salatblatt deutlich geschickter. Und man stellt fest: Es bieten sich zig verschiedene Geschmackskombinationen an. Was meist dazu führt, dass man am Ende mehr gegessen hat, als man eigentlich wollte. Vielleicht einer der Gründe, warum in der Karte des „Kimchi Princess“ bei den Desserts nur „auf Anfrage“ steht. (dpa/Foto: Lars Laion/Bulgogi Haus/dpa-tmn )