«Ich hab‘ einen!», möchte man am liebsten in den Wald schreien. Denn schon der Anblick des erspähten Pilzes lässt das Herz schneller schlagen. Wie er so dasteht – mit seiner schönen braunen Kappe, dem bauchigen Stiel mit weiß schimmerndem Überzug, der fast an Netzstrümpfchen erinnert. Her mit dem Lottogewinn! Ab ins Körbchen! Es ist nicht nur die Vorfreude auf die erhoffte Pilzpfanne, sondern auch das Glücksgefühl, das sich beim Entdecken von Steinpilz, Marone und Co. einstellt. Doch der ausgefuchste Pilzsammler verlässt sich nicht auf Glück allein. Er weiß, wo er suchen muss. Er weiß, wann er gehen muss. Er weiß, wo sich Pilze wohlfühlen und wird nicht kilometerweit durch einen dunklen Wald stapfen, in dem nichts zu «ernten» ist.
Gestapelte Baumstämme kein gutes Zeichen für Pilze
Gibt es tatsächlich Waldstücke, in denen keine Pilze wachsen? «Ja», sagt Peter Karasch, Vizepräsident der Deutschen Gesellschaft für Mykologie (DGfM). «Dort, wo Spuren von schwerem Forstgerät zu sehen sind oder viele gestapelte Baumstämme am Wegesrand.» Bei forstwirtschaftlichen Aktivitäten sei es erstmal eine Weile vorbei mit den gewohnten Pilzen. «Und das meist für die nächsten 10 bis 20 Jahre. Denn wichtig für das Pilzwachstum ist das Klein-Klima. Wo durchforstet wird, ist es für einige Zeit gestört», erklärt Karasch. Es gibt sogar regelrechte Störungsanzeiger, die für wenig Pilzglück sprechen. «Befindet sich gleich neben dem Wald ein Maisacker, ist das wegen höherer Nährstoffeinträge ungünstig für die meisten Pilzarten.» Auch wer meterhohe Brombeersträucher, Springkraut oder Brennnesseln sieht, könne meist gleich wieder kehrtmachen. Stattdessen sollte man nach Moosen und Flechten Ausschau halten. Die zeigen nährstoffarme und somit günstigere Verhältnisse an. Auch auf die Baumart kommt es an. «Nadelwälder mit Fichten und Kiefern sind das richtige Terrain für Sammler, die auf die beliebtesten Pilzarten Pfifferlinge, Steinpilze und Maronen scharf sind», weiß Karasch. Sommersteinpilze ließen sich bevorzugt in der Nähe von Buchen oder Eichen finden. Grund dafür sei, dass bestimmte Pflanzen in enger Symbiose mit Pilzen leben. So liefern die Pilze den Bäumen Wasser und Mineralstoffe und bekommen im Gegenzug Kohlenhydrate zurück – alles über die Wurzeln.
Wo einer, bald noch einer: Gut für Wiederholungsgang
Und was ist mit der Volksweisheit: Wo ein Fliegenpilz im Wald, ist ein Steinpilz nicht weit? «Auch da ist was dran. Beide haben ähnliche Standortansprüche», sagt Karasch. Allerdings müsse das nicht zeitgleich sein. Das trifft auch für folgende Regel zu: Wo steht einer, kommt noch einer. «Deshalb sollte man zu erfolgreichen Fundorten nach drei bis fünf Tagen noch mal einen Wiederholungsgang machen», rät der Pilzkenner. Wer befürchtet, die Stelle nicht wiederzufinden, könne ein Schleifchen in der Nähe anbinden. Manchmal ist die Freude nur kurz, wenn der Fund schon ein betagter Pilzopa ist. «Dann besser stehen lassen! So sorgt er durch seine Sporen für Vermehrung der Pilze in der nächsten Saison», sagt Peter Karasch. Hilfreich sei dabei der Drucktest am Hut. «Ist der noch elastisch und zieht sich in seine Form zurück, ist er auch noch frisch», so der Experte. Hat der Pilz schon Bewohner? Ebenfalls stehenlassen! Um das herauszufinden, müsse man den Pilz auch nicht gleich pflücken. Karasch nimmt dafür gern einen kleinen Spiegel mit in den Wald und kann so unter den Pilzhut schauen. Angeknabberte Exemplare sind dagegen kein Problem – einfach großzügig wegschneiden.
Idealer Zeitpunkt 10 bis 14 Tage nach Regen
Der wahre Pilz-Fuchs achtet natürlich aufs Wetter und weiß: «Damit Pilze sprießen, muss der Boden eine Grundfeuchte haben. Aber man muss nicht gleich losschießen, während es noch regnet», klärt Karasch auf. «Der ideale Zeitpunkt ist 10 bis 14 Tage nach dem Regen. Denn Pilze wachsen in Wellen.» Wer in den Bergen in die Pilze geht, sollte je nach Witterung auch auf die Himmelsrichtung achten. «Wenn es viel geregnet hat, wird man auch an den trockenen Südseiten fündig, bei längerer Trockenzeit eher an den schattigen Nordseiten», verrät Karasch. Wenn er mit einem vollen Körbchen zurückkehrt, liebt er neben Pilzrisotto und Parasolschnitzel eine Mischpilzpfanne mit Zwiebeln und Biospeck. Denn er weiß: «Umso mehr Pilzarten, desto intensiver das Aroma.»
Nur in schäumender Butter mit gold-gelben Schalotten
Ohne Speck dagegen mag es Peter Niemann: «Steinpilze, Maronen, aber auch Pfifferlinge sollten grundsätzlich nur in schäumender Butter mit gold-gelb gebratenen Schalotten-Würfeln gebraten werden», findet der Hotel- und Küchenchef vom Gourmetrestaurant «La Vallée Verte – Das grüne Tal» im Hotel Hohenhaus in Herleshausen. Gehackte Petersilie gibt der Spitzenkoch den Pilzen nicht zu. «Da sie mit ihrem intensiven Eigengeschmack das Pilzaroma überdeckt.» Was Niemann hingegen sehr mag, ist eine Prise gemahlener Kümmel. Er weiß zwar, dass viele Menschen Kümmel nicht mögen und sie einer Sülze gleichsetzen. «Aber ein bisschen Kümmelstaub ergänzt das erdig-süße Aroma der Pilze ausgezeichnet», verrät er. Obwohl der Steinpilz als König der Waldpilze gilt, findet Pilzkenner Niemann den Maronen-Röhrling, den er im Hohenhauser Naturforst häufig antrifft, noch schmackhafter. «Weil Maronen-Röhrlinge auch beim Braten ihren Biss und ihre feste Struktur behalten.»
Blaue Farbe verschwindet beim Braten wieder
Es müsse sich auch niemand sorgen, wenn sich die Röhrlinge beim Berühren und Anschneiden blau färben. «Die Farbreaktion kommt von der Umwandlung gelber Farbstoffe in blaue durch Einwirkung von Luftsauerstoff», erklärt Niemann und beruhigt: «Die blaue Farbe verschwindet beim Braten wieder.» Auch die Pfanne spielt beim Braten von Pilzen eine Rolle: «Sie sollte groß genug und heiß sein. Ansonsten kann das austretende Wasser nicht verdampfen und die Pilze kochen, anstatt zu braten», sagt Kiet Phung vom Berliner Restaurant «Aufwind». Der Küchenchef erklärt auch, warum Pilze eigentlich nicht gewaschen werden sollten: «Da sie sich so schnell mit Wasser vollsaugen und den Geschmack verlieren.» Es reiche völlig, die Pilze mit einem Pinsel zu säubern und das Ende vom Stielansatz abzuschneiden. Eine Wasser-Ausnahme könne man mal machen, wenn eine große Menge Pfifferlinge zu putzen ist. «Dann kann man sie mit Mehl bestäuben, danach in einem Sieb kurz stark abbrausen und mit einem Küchentuch gut abtupfen», verrät Phung einen Trick. (dpa/Foto: Robert Günther/dpa-tmn)