Seit einem halben Jahr verpasst Samuel Blanc der Küche im Hotel des Bains am See von Robertville seine Handschrift. Der 45-jährige Franzose kam 2003 in die Region, um die Nachfolge des plötzlich verstorbenen Michel Lafarque in der gleichnamigen Hostellerie (damals zwei Michelin-Sterne) in Goffontaine/Pepinster anzutreten. Zuvor war der Vater von zwei Töchtern Sous-Chef bei Drei-Sterne-Koch Harald Wohlfahrt in Baiersbronn gewesen und hatte anschließend im Elsass seinen ersten eigenen Stern erkocht. Ab 2013 war Samuel Blanc für die Küche im ehemaligen Lütticher Crowne Plaza (heute Les Comtes de Méan) zuständig, wo der Mann aus dem Jura mit dem Gastronomierestaurant „Le Sélys“ zwar 15 Punkte im Gault&Millau erreichte, aber von den Inspektoren des Guide Michelins keinen Stern erhielt. Jean-Pierre Robert, der Eigentümer des Hotels des Bains, holte ihn dann in die Ostkantone. Wir trafen den Spitzenkoch zu einem ausführlichen Gespräch.
In diesem Monat werden die aktualisierten Restaurantführer vorgestellt. Mit welchen Hoffnungen erwarten Sie die Präsentationen von Gault&Millau (13. November) und Guide Michelin (20. November)?
Natürlich haben wir gewisse Erwartungen. Man darf aber nicht zu große Ambitionen hegen, weil man dann Gefahr läuft, allzu sehr enttäuscht zu werden. Mit dem „Sélys“ hatte ich 15 Punkte, mit der Hostellerie Lafarque 16. Jetzt wäre es schön, wenn wir notiert wären, vielleicht mit 13 oder 14 Punkten. Das wäre ein guter Start im Gault&Millau. Für den Michelin gilt dasselbe: Wir sollten nicht allzu viele Etappen überspringen. Mein Ziel ist es, hier langfristig etwas aufzubauen. Das gilt für den Aufbau einer Mannschaft als auch für die Weiterentwicklung der Küche. Ich weiß, dass der Gault&Millau hier war, vom Guide Michelin hat sich niemand – abgesehen vom Routinebesuch für das Hotel – zu erkennen gegeben. Ich hoffe aber, dass sie gekommen sind, um die Küche zu testen.
Ist für Ihren Chef der Stern das Ziel?
Das wäre die Ambition, klar. Ich hatte einen Stern ein Jahr im Elsass und zehn Jahre in der Hostellerie Lafarque. Natürlich möchte ich diese Wertschätzung noch einmal erreichen, aber diese hat für mich nicht die oberste Priorität. Wichtig ist in erster Linie, dass wir hier eine zufriedene Kundschaft haben. Ich sehe, dass viele Leute kommen, die meine Küche aus den Zeiten in Pepinster und Lüttich kennen. Viele von ihnen sind froh, dass ich hierhin gefunden habe, weil der Rahmen besser zu meiner Küche passt als dies zuletzt in Lüttich der Fall war. Jeder Küchenchef verpasst den Tellern seine Note, das fällt mir hier leichter als in einem Stadthotel wie in Lüttich.
Seit Mai sind Sie zuständig für die Küche des Hotels des Bains. Inwiefern haben Sie versucht, binnen kürzester Zeit Akzente zu setzen?
Zunächst habe ich den Tellerkreationen meinen Stil verpasst, ohne alles über Bord zu werfen, was Jean-Pierre Robert zuvor hier geleistet hat. Ich musste den Brückenschlag zwischen seiner und meiner Kundschaft schaffen und glaube, dass mir das ganz gut gelungen ist. Ich durfte nicht alles verändern, musste den Stil des Hauses zunächst weiterführen und haben dann Schritt für Schritt vollzogen und meinen Stil eingebracht. Jetzt glaube ich, dass es die Küche von Samuel Blanc ist. Dass die Resonanz darauf positiv ist, das freut uns alle.
Wie würden Sie Ihren Stil selbst beschreiben?
Ich versuche eine sehr saisonale und regional verwurzelte Küche anzubieten – derzeit mit Wild, Pilzen und Kräutern. Ich habe aber auch gerne exotische Gewürze, die den Gerichten eine gewisse originelle Note geben, damit wir die Kundschaft – neben den klassischen Gerichten – gelegentlich auch überraschen können.
2003 sind Sie auf Empfehlung von Drei-Sterne-Koch Harald Wohlfahrt in die Region gekommen, als die gebürtige Hünningerin Agnes Lafarque-Andres auf der Suche nach einem Nachfolger für ihren überraschend verstorbenen Mann war. Haben Sie den Wechsel nach Belgien nie bereut?
Auf gar keinen Fall, ganz und gar nicht, das Gegenteil ist der Fall. Es gefällt mir sehr gut in der Region und ich habe hier zwei wundervolle Kinder, die der perfekte Ausgleich zu diesem doch stressigen Beruf sind. Wir sind immer unter Druck, doch lernt man mit den Jahren einfacher damit umzugehen. Wenn man etwas erreichen möchte, muss man an sich arbeiten und sich weiterentwickeln. Die Balance ist daher wichtig.
Welche Erinnerungen haben Sie an Ihre Zeit in Pepinster (2003-2013)?
Es gab eigentlich zwei verschiedene Zeiten: die an der Seite von Frau Lafarque, die sehr familiär war, und dann die an der Seite des Antwerpener Geschäftsmannes Jan Huygen, der sehr ambitioniert war, aber leider nicht immer die besten Entscheidungen getroffen hat. Die Erinnerungen sind aber positiv, da ich tolle Küchenmannschaften hatte. Mit vielen Mitarbeitern stehe ich heute noch in Kontakt. Viele von ihnen haben sich anschließend toll entwickelt, was mich natürlich gefreut hat. Es hat mir eine große Zufriedenheit gegeben, wenn die Mitarbeiter das Wissen, das ich leidenschaftlich vermitteln wollte, angenommen und sich dadurch verbessert haben.
Warum haben Sie Pepinster damals verlassen?
Das war die Wahl von Herrn Huygen, der viel Geld in die Renovierung der Zimmer investiert hatte, und dann entschied, das Gastronomiekonzept grundlegend zu verändern, hin zu einer ganz schlichten Küche. Es war in meinen Augen keine gute Entscheidung, da das Hotel zur „Relais et Chateaux“-Gruppe gehört und die Kunden bis dahin eine Sterneküche gewohnt waren. Als ich ging, hatten wir gerade das beste Jahr im Hinblick auf die Gäste- und Umsatzzahlen seit meiner Ankunft im Jahr 2003 hingelegt. Er wollte dann aber einfach weniger Gehaltsmasse für die Küche aufwenden. Die Rechnung ist schlussendlich nicht aufgegangen. Nach der Übernahme gab es dort zuletzt viele Wechsel in der Küche. Jetzt ist mit Olivier Tucki wieder ein gestandener Koch an Bord, der zuvor im Manoir des Lébiolles in Spa aktiv war. Diese Kombination kann in der Zukunft wieder ihre Früchte tragen.
Im Elsass haben Sie damals einen Stern erkocht und auch bei Lafarque diese Auszeichnung verteidigt. Warum hat es mit dem Stern im Sélys anschließend nicht geklappt?
Ich weiß es nicht, ganz ehrlich. Im Laufe der Jahre habe ich dort nicht viele Michelin-Inspektoren gesehen. In den viereinhalb Jahren, in denen ich dort war, hatten wir immer denselben Kommentar im Guide Michelin. Vielleicht war es ein Handicap, in einem Hotel zu kochen, ich weiß es aber nicht. In meinen Augen haben wir eine gute Arbeit abgeliefert und waren auf einem guten Weg. Das, was auf dem Teller lag, war sicherlich in Ordnung. Vielleicht werde ich den Grund eines Tages erfahren. Ich glaube nämlich nicht, dass meine Küche schwächer geworden ist.
Warum haben sich die Wege dieses Jahr getrennt?
Ende des Jahres 2016 wurden das Gastronomierestaurant Le Sélys und die Brasserie O Cocottes geschlossen. Daraus wurde schließlich L’Atelier du Sélys. Dieses ist eine Mischung aus einer gehobenen Brasserie und einem gastronomischen Restaurant. Lediglich am Abend bietet man ein gastronomisches Menü an. Ich habe mir dann nach einiger Zeit die Frage gestellt, ob es das ist, was ich machen möchte. Ich war dort sehr in der Personalführung eingebunden, da wir insgesamt 18 Personen beschäftigten, weil wir sieben Tage geöffnet hatten und im Hotel einen 24-Stunden-Service anboten. Als Herr Robert auf mich zukam, habe ich die Gelegenheit beim Schopfe gepackt, auch wenn es eine ganz andere Herausforderung ist. Hier stehe ich nämlich drei Viertel der Zeit alleine in der Küche. Aber das tut mir gut und war für mich eine Rückkehr zu meinen Wurzeln.
Wie sehr hat sich Ihre Küche im Laufe der Jahre verändert?
Die Basis ist dieselbe geblieben, fixiert auf die Qualität des Produktes. Die Techniken haben sich entwickelt. So bin ich ein Verfechter des Vakuumgarens geworden, weil dieses die Qualität des Produktes anhebt. Natürlich hat sich das Anrichten verändert. Meine Kundschaft hier verlangt, die Klassik mit der Moderne zu verbinden. Die Mischung macht’s.
Wie eigenständig führen Sie die Küche? Sprechen Sie sich mit Ihrem ebenfalls kochenden Chef ab?
Herr Robert hat seine Kundschaft hier zwölf Jahre gepflegt und konzentriert sich nun auf das Cheval Blanc im Zentrum von Weismes. Er hat dort viel Arbeit, sodass wir in einem guten Einvernehmen die Sachen absprechen und uns austauschen. Bei der Gestaltung der Karte habe ich meine Freiheit, aber es ist natürlich klar, dass ich mit den Lieferanten zusammenarbeite, die dem Hause schon vertraut sind.
Welche Moden würden Sie niemals mitmachen?
Die große Zeit der Molekularküche ist vorbei, auch wenn einige Techniken davon übernommen wurden. Womit ich persönlich ein Problem hätte, wäre der Einsatz von Insekten. Das würde nicht in unseren Kontext passen. Ich habe es versucht, kann aber nichts damit anfangen. Ich liebe es nicht und möchte es daher auch nicht meinen Kunden anbieten. Wir haben hingegen viele Produkte in der Region, die wir natürlich nutzen. So teste ich gerade beispielsweise Tauben aus Pepinster. Diesen regionalen Produkten stehe ich sehr offen gegenüber.
Mit der Menuiserie (Champagne) sowie Zur Post und Quadras (beide St.Vith) haben Sie drei Sternerestaurants in der unmittelbaren Umgebung. Wie erklären Sie sich diese Sternedichte im Osten des Landes?
Es ist eine Gegend, in der die Menschen gerne essen gehen, und die sehr touristisch ist. Die Natur, die Ruhe und die Qualität der Küchen sind die Trümpfe hier vor Ort. Oft sind es Auswärtige, die das Ganze mehr zu schätzen wissen als die Einheimischen. Ein Stern würde uns vor diesem Hintergrund helfen, zumal viele Hotelgäste bislang die Nähe zu den angesprochenen Restaurants nutzten, um ihnen einen Besuch abzustatten. Da hätte Herr Robert schon gerne, dass sie eher hier essen (lacht). (hegen)