„Schokolade ist Gottes Entschuldigung für Brokkoli“, hat ein amerikanischer Schriftsteller festgehalten. Marc Pauquethat das Glück, dass sich sein beruflicher Alltag um die Veredelung der Kakaobohne dreht. Ein Leben sozusagen auf der Schokoladenseite. Der Eupener leitet seit fünf Jahren die „Chocolate Academy“ des Schokoladenherstellers Barry Callebaut in Istanbul. Gelernt hat der 55-Jährige sein Handwerk in der elterlichen Konditorei sowie in der Bäckerei Schumacher in Raeren, bevor er 1995 auswanderte.
Wer im GrenzEcho-Archiv nach Marc Pauquet stöbert, wird Anfang der 90er Jahre mehrfach fündig. Immer waren es originelle Ideen, die den damals jungen Konditormeister in die Schlagzeilen brachten. In der Vorweihnachtszeit 1991 stellte er in der Backstube am Eupener Rathausplatz 2,5 Tonnen Marzipan her und verarbeitete die Masse zum Großteil zu Schweinchen, die 250 Gramm oder aber auch sieben Kilogramm wogen und sich im ganzen Land verkauften. Im selben Jahr hatte er bereits Köstlichkeiten zu Ehren des 200. Todestages von Wolfgang Amadeus Mozart entwickelt, und zum Besuch des Königspaares im November 1993 stellte er einen Kuchen vor, der in zweimonatiger Vorlaufzeit entstanden war. Ende 1994 wurde das Gebäude der Konditorei an der Ecke von Rathausplatz und Paveestraße an eine Bank verkauft. Am Ostersonntag 1995 schlossen sich dann die Türen des traditionsreichen Familienbetriebs, den sein vor zwei Jahren verstorbener Vater Guido Pauquet 1960 eröffnet hatte. Damit schlug Marc Pauquet ein neues Kapitel in seinem Leben auf. Ihn zog es ins Ausland, wo er sein Handwerk in verschiedenen Kursen perfektionierte und sich auf der Suche nach neuen beruflichen Herausforderungen jenseits der Weserstadt machte. Und das tat er mit Erfolg.
Seit nunmehr 21 Jahren ist der Ostbelgier in der 15-Millionen-Metropole Istanbul zu Hause und steht an der Spitze der „Chocolate Academy“, die Barry Callebaut im November 2013 als Ausbildungszentrum eröffnete. Dieses bietet eine breite Palette von Workshops und Demonstrationen für Küchenchefs, Fachleute und Schokoladenexperten an. „Hier können Profis ihre Kenntnisse über die Arbeit mit Schokolade vertiefen und sich über neue Techniken, Trends und auf den türkischen Markt abgestimmte Rezepte informieren. Das geht von der Praline bis zur Mousse sowie vom süßen bis zum herzhaften Einsatz in der Küche“, macht Marc Pauquet im Gespräch mit dieser Zeitung die Breite des Angebots deutlich. Das Workshopzentrum besteht aus einer Profiküche mit individuellen Arbeitsflächen für die Verarbeitung der Schokolade sowie aus Maschinen und Hilfsmitteln, wie sie in den weltweit besten Kochschulen vorhanden sind- und das auf einer Fläche von 250 Quadratmetern. Für den gebürtigen Eupener ist Istanbul längst zur Heimat geworden. Dort lebt er mit seiner Frau, mit der er seit 1999 verheiratet ist, und seiner inzwischen 15-jährigen Tochter, mit der er Deutsch spricht, sodass er noch nach zwei Jahrzehnten akzentfrei seine Muttersprache beherrscht. Auch trifft er sich vor Ort regelmäßig mit anderen Ostbelgiern, die es in das frühere Konstantinopel verschlagen hat, so zum Beispiel die Wirtzfelderin Elke Drosson. Von der Türkei ist er fasziniert: „Es ist ein Land in völligem Umbruch, das darum bemüht ist, Tradition und Moderne miteinander zu verknüpfen.“ Heimweh ist ein Fremdwort: „Eupen ist meine Heimatstadt und wird es bleiben. Vermissen tue ich sie nicht, doch bin ich jedes Mal froh, wenn ich meinen Bruder Gaston besuchen kann.“ Und fügt humorvoll an: „Den Verkehrsstau der Herbesthaler Straße habe ich hier zur Genüge.“
Mindestens ein Mal im Jahr besucht er noch seine alte Heimat, in Belgien weilt er unterdessen häufiger, weil dann berufliche Termine in der Callebaut-Zentrale in Wieze (Gemeinde Lebbeke) anstehen. Eine definitive Rückkehr in die Weserstadt ist für ihn nicht ausgeschlossen, doch stehe sie zurzeit nicht zur Debatte: „Man sollte niemals nie sagen, aber mein Lebensmittelpunkt bleibt vorerst Istanbul. Von hier bin ich übrigens in nur drei Stunden in Brüssel.“
Istanbul liegt sowohl auf der asiatischen als auch auf der europäischen Seite und ist für ihn keine typische türkische Stadt. Im Gegenteil. „Istanbul ist zwar teuer, hat aber eine tolle Lebensqualität, ist sehr vielseitig und bietet viel Kultur“, schwärmt der Ostbelgier von seiner Wahlheimat. Nach Stationen bei der Großbäckerei Divan, wo er die jährliche Produktion von 60 bis auf 500 Tonnen Schokolade ausbaute, und im Hotelgewerbe landete er bei dem Zulieferbetrieb Barry Callebaut, die die 16. „Chocolate Academy“ weltweit in Istanbul eröffnete, um sich besser auf die Bedürfnisse des türkischen Marktes auszurichten.
Der türkischen Sprache ist er inzwischen so mächtig, dass er Kurse in dieser gibt. Neben diesen Seminaren ist Marc Pauquet aber auch für den Konzern als technischer Berater in Südosteuropa sowie in Nordwestafrika aktiv und daher häufig als Reisender in Sachen Schokolade und ihrer Anwendungsmöglichkeiten unterwegs.
Ist es ein Traum, jeden Tag mit Schokolade zu arbeiten? „Ja! Schokolade ist ein vielseitiges Produkt. Auf der einen Seite wird Schokolade an der Börse als Rohstoff gehandelt, auf der anderen Seite findet man Schokolade im Supermarktregal oder in Schaukästen ausgestellt wie feinsten Schmuck. Ich esse jeden Tag ein Stück. Schokolade, besonders dunkle Edelbitter-Schokolade, ist gesund und hat viele Spurenelemente.“ Und wie hält man dabei das Gewicht? „Die Schokolade ist nicht das Problem, eher die türkische Küche, besonders die ‚Mezze‘-Vorspeisen haben es mir angetan.“ (hegen/Fotos: privat)