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Hiesige Gastronomen ächzen unter der Coronakrise

Premierministerin Sophie Wilmès (MR) sprach vom 8. Juni im Zusammenhang mit einer möglichen Wiedereröffnung der Restaurants – vorausgesetzt, dass die Entwicklung in der Coronakrise weiter positiv verläuft. Später sollen dann Café und Bars folgen. Wann dies sein könnte und welche Bedingungen den Gastronomen auferlegt werden, darüber schwieg sich die Regierungschefin aus. Die Vorgaben des Social Distancings werden für viele Unternehmer entscheidend sein, ob ein wirtschaftliches Betreiben überhaupt möglich sein wird.

Strikte Maßnahmen werden die Wiedereröffnungen begleiten.

Dass es strikte Maßnahmen sein werden, daran besteht aktuell kein Zweifel, da die gesundheitliche Sicherheit der Mitarbeiter, der Kunden und der Lieferanten gewährleistet sein muss. „Wenn wir im Juni wieder ins Restaurant zurückkehren können, dann wird es nicht wie vorher sein“, betonte Thierry Neyens, Präsident des Horecaverbandes der Wallonie, am Wochenende in einem RTBF-Interview. Kleinere Karten und ein eingeschränkter Service könnten die Folgen sein. „Wenn es Unterstützungsmaßnahmen gibt, die nicht den Bedürfnissen des Sektors entsprechen, um den Kopf über Wasser zu halten, werden wir am Ende des Jahres eine beträchtliche Anzahl von Konkursen haben“, prognostizierte er.

„Der Horeca-Sektor steht für mehr als drei Millionen Mahlzeiten am Tag, 130.000 Arbeitsplätze, 35.000 Selbständige, 60.000 Unternehmen und einen Umsatz von 14 Milliarden Euro“, schrieben zahlreiche Spitzenköche in der vergangenen Woche in einem offenen Brief und erinnerten daran, dass es dieser Sektor ist, der am meisten Mehrwertsteuer zahlt (mehr als der Finanz-, Post- und Telekommunikationssektor zusammen), ganz zu schweigen von dem hohen Anteil der Personalkosten im Verhältnis zum Umsatz. Sie forderten unter anderem die Möglichkeit von Kurzarbeit aufgrund höherer Gewalt bis Ende 2020 und eine Befreiung von den Sozialversicherungsbeiträgen bis Ende des Jahres. Außerdem sollen die Restaurantbelege zu 100 Prozent steuerlich absetzbar sein. Und wie ist die Situation hierzulande? Wir haben uns bei verschiedenen Akteuren in Eupen umgehört, die exemplarisch für die Bandbreite der Gastronomie stehen.

Seit über vier Jahrzehnten ist Bernd Visé in der Gastronomie verwurzelt. „Mit viel Dusel geht es vielleicht Mitte Juni los. Wenn dem nicht so sein sollte, dann wird es für einige wohl zappenduster“, meint der 57-Jährige, der in der Unterstadt ein Restaurant mit angegliedertem Weinhandel betreibt. Dieser ist es, der ihn derzeit beschäftigt: „Der Weinverkauf ermöglicht es mir, weiter mit den Kunden in Kontakt zu bleiben. Der Austausch würde mir ansonsten außerordentlich fehlen. Toll ist die Solidarität, die man aus der Kundschaft erfährt und zeigt, dass man in dieser schwierigen Zeit nicht allein ist.“ Von den Beschlüssen des NSR wurde er nicht auf dem falschen Fuß erwischt: „Das Problem war doch, dass im Vorfeld zu viel spekuliert und so zu viele Hoffnung geschürt worden waren.“ Mit wirtschaftlichen Existenzängsten hat der Unternehmer trotz der Krise nicht zu kämpfen, da er sich in der langen Zeit der Selbstständigkeit ein Polster schaffen konnte. „Aber alle, denen das Wasser bis zum Hals stand, laufen Gefahr, bald weg zu sein“, befürchtet Bernd Visé. Ende dieses, Anfang nächstes Jahr komme die entscheidende Phase. „Viele Ausgaben, wie die Anzahlungen bei der Sozialen Sicherheit, werden jetzt aufgeschoben, sind damit aber nicht aufgehoben.“ Ganz wichtig für die Branche sei ein zweites Hilfspaket seitens der Regierung, das für verschiedene überlebensnotwendig sein dürfte. Entscheidend werden auch die Social-Distancing-Regeln sein, die die Wiedereröffnungen begleiten werden: „Wer einen Speisesaal von 25 Quadratmetern und eine Küche von zehn Quadratmetern hat, wird die aktuellen Vorgaben nicht einhalten können“. Er selbst könne dann noch immer wirtschaftlich arbeiten, da ihm von 40 Plätzen noch 25 bleiben würden, zuzüglich des Angebotes auf der Terrasse, sodass ihm diese Regelung keine allzu großen Kopfschmerzen bereite.

Dieter „Liby“ Liebertz hat klare Vorstellungen, wie es an der Talsperre weitergehen kann. Foto: Heinz Gensterblum

Ruhe herrscht an der Wesertalsperre. „Die Beschlüsse von Freitag sind für uns katastrophal. Das ist ein Hammer und tut richtig weh“, sagt Dieter „Liby“ Liebertz. Der Konzessionär verfügt über ein großzügiges Platzangebot, sowohl im Innen- als auch im Außenbereich. „Wir könnten 150 Plätze einrichten mit der nötigen Distanz zueinander, könnten verschiedene Ein- und Ausgänge vorsehen und wären damit sicherer als jeder Super- und Baumarkt“, hat Dieter Liebertz Probleme damit, die aktuellen Maßnahmen nachzuvollziehen. Bis Ende August sind die Veranstaltungen an der Talsperre wie der Triathlon, der Cabrio Day oder die Eupen Rallye abgesagt. Auch Geburtstagsfeiern und Betriebsfeiern finden nicht statt. „Ich habe das Ganze durchgerechnet: Wir haben bis Ende August über 3.000 Gästen abgesagt“, so der Betreiber. Nach dem ruhigen Winter sollte es an der Talsperre Mitte März gerade wieder losgehen, als das Coronavirus einen richtigen Start verhinderte. „Die Ware war bestellt und die 32 Kühlschränke waren voll“, betont der 57-Jährige, der viele Produkte vernichten muss, da das Haltbarkeitsdatum zum Teil abläuft. Die Monate März, April und Mai gehören am Stausee zu den wichtigsten, genau so wie der September und Oktober. „Im Juli und August sind die meisten dann ausgeflogen“, berichtet der Tausendsassa in Sachen Gastronomie. Mit dem Saalgeschäft bestreitet der Konzessionär die Fixkosten, die Taverne mit ihrer Terrasse macht dann den Unterschied zwischen einem durchschnittlichen und einem guten Jahr aus. Am liebsten würde er schon am 18. Mai mit einem Self-Service-Angebot ohne Sitzplätze die Türen öffnen, insofern die Zufahrtsstraßen für den Verkehr freigegeben werden. „Dann würde es eine reduzierte Getränkekarte geben und alles mögliche zu essen, was man auf der Faust genießen kann“, so Liebertz. Am 8. Juni könnte es beim aktuellen Stand der Dinge dann auf allen Ebenen losgehen. Die Auflagen sind noch unbekannt. „Wichtig für unsere Branche sind verlässliche Vorgaben, damit wir planen können, denn vieles lässt sich nicht binnen einer Woche so einfach organisieren. Wir müssen wissen, in welche Richtung es geht und brauchen ein Modell für den Neubeginn.“

Seit acht Jahren betreibt Manfred Schumacher das Café Columbus in der Bergstraße, eine traditionsreiche „Eupener Bier“-Kneipe. Dass eine Wiedereröffnung jetzt noch nicht zum Thema wurde, hatte er erwartet, sodass die Ausführungen der Premierministerin ihn nicht sonderlich überraschten. Nun hofft er aber, dass er zumindest am 22. Juni wieder hinter dem Zapfhahn stehen kann. „Für uns ist das Sommergeschäft immens wichtig, da wir jetzt das Geld verdienen müssen, mit dem wir auch im Winter leben können“, erläutert Manfred Schumacher mit Blick auf die leergeräumte Terrasse. Der Branche tut ebenfalls nicht gut, dass in der Eupener Innenstadt vorerst keine Großveranstaltungen stattfinden, die unweigerlich auch einen Impakt auf die Geschäftstätigkeit der Wirte haben. Dabei denkt er an das ausgefallene Public Viewing zur Fußball-EM, den Eupen Musik Marathon oder auch die wahrscheinlich nicht stattfindende Kirmes. Und dann ist das Ganze noch mit der Frage verbunden: Wie geht es überhaupt weiter? „Wenn die Social-Distancing-Regeln in meiner Kneipe gelten, dann habe ich die Bude immer voll“, scherzt der Wirt trotz der prekären Situation in seinem Sektor: „Viele haben große Angst. Ich kann mit dieser Situation umgehen und es eine Zeitlang aushalten. Es wird aber möglicherweise der Zeitpunkt kommen, an dem ich die Reißleine ziehen muss. Und ich werde nicht bis zum letzten Moment warten.“ Vom Föderalstaat hat er die Soforthilfe in Höhe von 5.000 Euro noch nicht erhalten, doch hofft er insgeheim auch auf ein Entgegenkommen der Stadtverantwortlichen bei der Erhebung der Terrassensteuer in diesem Jahr. Ein wenig verwundert haben ihn die Ankündigungen des NSR dennoch: „Wenn zwei Leute gemeinsam Tennis spielen können, dann sollte man sich doch auch zu zweit an einen Tisch auf einer Terrasse setzen dürfen.“

Mit seinem Unternehmen „Lecko Pfanni“ macht Guy Christmann in erster Linie mobiles Catering für 30 bis zu 250 Personen. Er beliefert Festgesellschaften, Betriebsfeiern oder ist am Wochenende auf Streetfood-Events aktiv. „Genau zu dem Zeitpunkt, als es nach dem Winter bei uns anlaufen sollte, wurde alles gestoppt. Für uns ist die Saison komplett gelaufen, das Geschäftsjahr zusammengebrochen. Wir stehen praktisch auf Null“, sagt der 55-Jährige, der eigentlich von Ende März bis Oktober komplett ausgebucht war, an den Wochenenden sogar häufig doppelt belegt. Kerngeschäft sind für ihn die Festgesellschaften: „Streetfood-Wochenenden sind gut mitgenommen, mehr aber eine Marketingsache als eine wichtige Einnahmequelle.“ Kurz vor unserem Gespräch hatte er noch eine Absage für ein September-Event erhalten, das 2021 nachgeholt werden soll. Im kommenden Jahr werden die Termine heiß begehrt sein, denn neben den Nachholveranstaltungen wird es (hoffentlich wieder) eine normale Agenda geben. Hat Guy Christmann Angst um sein Unternehmen? „Nein, das nicht. 2020 ist für mich abgehakt, und der Winter ist ohnehin immer schwierig. Es wird auf alle Fälle weitergehen“, gibt er sich optimistisch. Ob alle Kollegen die Krise überstehen, ist für ihn fragwürdig. „Alle, die jetzt bereits am Limit waren, werden es schwer bekommen, insofern der Staat ihnen nicht unter die Arme greift“, so Christmann, der selbst auch noch auf eine erste Überweisung der öffentlichen Hand wartet.

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