Der vegane Kochbuchautor Attila Hildmann spielt gerade den Gangster-Rapper. Er hat sich wegen einer Gastrokritik mit einer Zeitung angelegt. Das brachte ihm viele Schlagzeilen, die er für Werbung nutzt. Jüngstes Kapitel: ein Show-down mit Kälbchen.
Wer Attila Hildmann jetzt noch nicht kennt, war vielleicht gerade im Urlaub oder kommt ohne Internet und Facebook aus. Der vegane Koch und TV-Promi hat sich lautstark und werbewirksam über eine Zeitung geärgert. Der „Tagesspiegel“ hatte seinen Imbiss in Berlin-Charlottenburg und das „manschige Fast Food“ verrissen. Es gab Hausverbot. Dann großes Echo nach Hildmanns Wutausbruch, so etwas klickt sich im Netz.
Danach die Kehrtwende: Am Mittwoch lädt der selbst ernannte „Veganerkönig“ die versammelte Presse zum Testessen im Imbiss ein. Show-down mit Wutburger. Die Aktion endet mit einer verlorenen Steak-Wette, klickenden Kameras und einem lebendigen Kälbchen vor dem Laden. Hildmann hat in der Einladung bei Facebook noch mit einem Gewehr posiert, was ihm neben einem Spruch eine Strafanzeige einbrachte, wie er erzählt. Die etwa 30 Gäste begrüßt er freundlich und ironisch: „Ihr seid bestimmt alle gespannt auf die labberigen Burger.“ Die Kameras und die Smartphones laufen.
Hildmann führt einen Film über die Umwelt und „Fleisch als Klimakiller Nummer 1“ vor. Als er über den Tierschutz und den Planeten spricht, werden seine Augen feucht. Ihm geht es um die Sache, ist seine Botschaft. Nicht um PR? Ob das Posen mit Muskeln und Waschbrettbauch, Auftritte bei „Schlag den Star“ oder „Let’s Dance“: Hildmann (36) hat ein großes Sendungsbewusstsein.
Im Netz spielt der studierte Physiker gerade den Gangster-Rapper. Er trommelt für sich, seine Kochbücher und die vegane Ernährung, die auf tierische Produkte verzichtet. Er provoziert gern. Schon vor Jahren stellte der Berliner fest: „Vom Unterhaltungswert ist meine Facebookseite besser als das Dschungelcamp.“ Beim „Tagesspiegel“ fiel der „Gott der Veganer“ durch: „Wer im Imbiss des Gottkochs der Veganer einkehrt, meint, eine Fritteuse zu betreten“, heißt es zu Beginn der Kritik. Ähnlich gesalzen geht es weiter. Hildmann wetterte bei Facebook über den „dreckigen Kackartikel“. Und an die Journalistin gerichtet: „Ich freue mich, dass ich Sie nicht erkannt habe, sonst hätte ich Ihnen meine Pommes in Ihre Wannabe-Journalistinnen-Visage gestopft und mit Liebe ihr dreckiges Geld zurückgegeben.“
„Wer sich ins Licht der Öffentlichkeit begibt, muss das aushalten.“
Der „Tagesspiegel“ frotzelte, das von Hildmann verhängte Hausverbot für die Zeitung sei eine „Suppenhaft“. Vor dem Testessen versprach Hildmann: Wenn die Mehrheit der Journalisten seine veganen Burger schlechter als Fleischburger findet, isst er vor Ort ein Steak vom Rind. Der Test: Süßkartoffel-Pommes und Burger mit Kichererbsen-Frikadelle werden serviert. Einige Journalisten machen mit. Ein „Burger in Verkleidung eines Falafels“ oder „Die Mayo habe ich mir schlimmer vorgestellt“, lauten die Kommentare. Hildmann verkündet das Ergebnis der Abstimmung: gute Noten, aber die Mehrheit bevorzugt die Fleischvariante. Also müsste er ein Steak essen.
Das macht Hildmann nicht. Er parkt seinen Porsche um, ein Anhänger fährt vor, darin eine Ziege und ein Kälbchen. Das müsse getötet werden, damit er ein Steak esse, fordert Hildmann mit dem Messer in der Hand. „Wer bringt das Tier um?“ Das macht natürlich keiner. Ende des Pressetermins. Das alles, weil einem Koch eine Gastro-Kritik nicht schmeckte. Die Geschichte ist, wie Medienleute sagen, richtig schön hochgekocht. „Letztlich ist das eine findige und amüsante Strategie der Wut-PR“, sagt Frank Überall, Vorsitzender des Deutschen Journalisten-Verbands. Ist es erlaubt, Medien so unschön anzugehen? „Wer sich ins Licht der Öffentlichkeit begibt, muss das aushalten.“ Die rote Linie zieht Überall bei ernster Bedrohung. Die sieht er in Hildmanns Kommentaren nicht. Ihm war der Koch vorher kein Begriff. Die Werbung hat also funktioniert. „Wer kannte vorher diesen Laden?“
Restaurants und Kritiker, das ist ein altes Thema. Fernsehköchin Sarah Wiener sagt: „Die allermeisten Restaurants kennen die Erfahrung mit negativer Kritik. Öffentlich kritisiert zu werden, ist, gerade wenn die eigene Existenz davon betroffen ist, keine Erfahrung, auf die man Wert legt.“ Aber gerade bei Medienköchen oder -köchinnen seien Kritik und Bewertung Teil des Spiels. Gerade in der Gastronomie heiße das Zauberwort „Dienstleistung“. Wiener findet: „Sich über schlechte Kritik öffentlich aufzuregen, mehr noch: selbst beleidigend zu werden und wie Rumpelstilzchen in die Luft zu gehen und verbal zu entgleisen, sagt mehr über den Charakter des Kritisierten aus, als ihm sicher lieb ist. Ich empfehle: einfach ignorieren. Das Leben ist zu kurz, um dem Negativen so viel Raum zu geben.“ (dpa/Foto: Jens Kalaene)