Die Fahrradstrecke ist nur rund acht Kilometer lang. Damit ist sie eine der kürzesten, die man in der Loire-Region finden kann. Sie ist auf keiner Karte angezeigt, trägt auch keinen Namen. Sie führt durch den Weinkeller von Bouvet Ladubay in Saumur – vorbei an Hunderten von Eichenfässern, in denen prickelnder Schaumwein lagert. Die Mini-Tour ist mehr als ungewöhnlich.
Seit 2014 sind die teilweise bis zu 40 Meter unter der Erde liegenden Troglodyten-Schaumweinkeller mit dem Fahrrad zu entdecken, entweder mit dem eigenen oder mit einem Vintage-Bike. Die aufbereiteten Oldtimer können direkt vor Ort ausgeliehen werden. Die Dauer der Besichtigung auf dem Stahlross: knapp zwei Stunden – einschließlich Verkostung.
Es ist kühl in dem Halbdunkel, in dem der Geruch von Eichenfässern in die Nase steigt – und auch der von Tuffstein. Die Erklärung folgt wenige Meter später beim ersten Zwischenstopp. «Die unterirdischen Galerien sind in den weißen Kalkstein gehauen, aus dem im Loire-Tal Schlösser, Kirchen, Klöster und Brücken sind», sagt Juliette Monmousseau, seit 2015 Generaldirektorin der Weinkellerei. Aus Tuff war einst auch die Benediktiner-Abtei Saint-Florent. In deren ehemaligen Kellern lagert heute ein Teil des perlenden Weins.
Saumur ist nach der Champagne der größte Schaumwein-Produzent
Ein paar Pedaltritte weiter tauchen aus dem Stein herausgearbeitete Bildwerke und Säulen auf. Wie Monmousseau erklärt, zieren mehr als 30 Flachreliefs, Kapitelle und Säulenfragmente seit 2002 die unterirdischen Gänge. In der Region ist der Weinkeller deshalb auch als «cathédrale engloutie» bekannt, versunkene Kathedrale. Ihr Vater und Präsident des Schaumwein-Hauses, Patrice Monmousseau, hatte den Bildhauer Philippe Cormand gebeten, die Formen zu schaffen – in Erinnerungen an die Abtei Saint-Florent aus dem 11. Jahrhundert.
In den Eichenfässern, die den Parcours säumen, ruht der besondere Jahrgang des Hauses: der Trésor – auf Deutsch übersetzt Schatz. Der Trésor Brut Blanc wird wie ein Champagner in traditioneller Flaschengärung hergestellt. So gewinnt er an aromatischer Vielfalt, in deren Genuss man bei einer Kostprobe am Ende der Weinkeller-Fahrradtour kommt. Dabei erklärt Juliette Monmousseau, dass im Unterschied zum Champagner an der Loire nicht die weiße Rebsorte Chardonnay dominiere, sondern Chenin Blanc.
Saumur ist bekannt für seine Schaumweine. In Frankreich ist das Weinbaugebiet nach der Champagne der größte Produzent in diesem Bereich. Bouvet Ladubay zählt zu den ältesten Schaumweinherstellern der Loire. Die prickelnden Bläschen des Hauses sind unter den Bezeichnungen Saumur Brut und Crémant de Loire bekannt.
Junger Visionär schafft prosperierendes Unternehmen
Mit durchschnittlich sechs Millionen verkauften Flaschen pro Jahr ist das Unternehmen auch Marktführer. Es verkauft 60 Prozent seiner Produktion aus Chenin Blanc, Cabernet Franc und Chardonnay ins Ausland, insbesondere in die USA.
Die Besichtigung dauert eine Stunde fünfzehn Minuten, die Degustation 30 Minuten. Denn es gibt viel zu probieren – und zu erzählen. Wie die Geschichte des Hauses, das 1851 von dem 23 Jahre alten Bouvet und seiner Frau Célestine Ladubay gegründet wurde. In wenigen Jahren schuf der Sohn eines Böttchers ein prosperierendes Unternehmen, das zum offiziellen Lieferanten des britischen Parlaments wurde.
Bouvet war Visionär und Ästhet. Neben Produktionsgebäuden baute er auch ein eigenes Stromwerk zur Lichtversorgung seiner acht Kilometer langen Keller, Wohnungen für seine Angestellten und ein eigenes Theater. Durch den Ersten Weltkrieg und die Wirtschaftskrise von 1929 geschwächt, wurde das Haus in Saint-Hilaire-Saint-Florent in der Gemeinde Saumur 1932 verkauft – und vom Großvater des heutigen Präsidenten erworben.
Die Saga des Hauses dauert bis heute an
Neben Saphir Brut Vintage, Crémant de Loire Excellence und Brut de Loire wird auch Trésor Blanc verkostet. Die fruchtige und würzige Note hat Patrice Monmousseau kreiert. Und den Namen. Der spielt auf eine Legende an. Bouvet soll ein Relikt gefunden haben, das die Mönche von Saint-Florent in ihren Kellern versteckt haben sollen. Einen wahren Schatz, Trésor eben.
Die Geschichte des Hauses gleiche einer Saga, die 1851 begann und bis heute dauert, sagt Juliette Monmousseau. Denn der Geist seines Gründers setzt sich bei den Monmousseaus fort. Im Jahr 1992 weihte die Familie in dem umgebauten Stromwerk ein Zentrum für zeitgenössische Kunst ein. Im Jahr 1993 wurde das von Bouvet gegründete Theater mit seinen rund 140 Plätzen renoviert und wieder eröffnet.
Mit der Weinkeller-Besichtigung auf dem Drahtesel schließe sich auch hier der Kreis, sagt Juliette Monmousseaus abschließend. Warum? Der Gründer des Unternehmens war ein Fahrradfan. Im Jahr 1894 hatte er die erste Radrennbahn in Saumur erschaffen. (dpa/Foto: Sophie Boursier/Bouvet Ladubay/dpa-tmn)