Bei jedem Öffnen des Gefrierschranks schlägt einem das schlechte Gewissen entgegen: Ach, den fertigen Sauerbraten von Oma wollte ich schon längst mal machen. Oje, da ist ja auch noch das gute Stück Dorsch vom vorvorletzten Angelurlaub eines Kumpels in Norwegen. Ahhh, und die Jakobsmuscheln. Die waren doch mal im Angebot, kurz vor Silvester. Vor einem Jahr? Oder zwei? Wer hat sie nicht: Lauter kleine und große «Leichen», die seit Monaten, wenn nicht gar Jahren, im Tiefkühlfach schmoren.
Reste von einem fabelhaftem Menü – viel zu schade, um sie wegzuschmeißen. Also ab in die Truhe! Überhaupt: Vorräte können ja nie schaden, falls mal nichts im Kühlschrank ist. Und wenn unverhoffter Besuch kommt, ist es gut, immer einen halben Kuchen in der frostigen Hinterhand zu haben. Auch das Brot könnte über Nacht schimmeln – dann sind ein paar Scheiben im Eisfach doch die Rettung.
Gründe für die eisige Vorratshaltung gibt es reichlich. «Doch wenn wir ehrlich sind, ist sie meist nur der Vorraum zum Mülleimer. Um das schlechte Gewissen zu überlisten, werden zum Beispiel Reste nur zwischengeparkt», sagt Monika Bischoff, Vorstandsmitglied im Berufsverband Oecotrophologie e. V. (VDOE). Für die Expertin ist es das größte Problem, dass man die tiefgefrorenen Päckchen nicht sieht – nach dem Motto «Aus den Augen, aus dem Sinn». Genauso verhalte es sich im Gewürzschrank mit den Gläschen und Döschen in der hintersten Ecke.
Ob Gewürzregal oder Tiefkühltruhe – Bischoff rät ganz radikal zum Ausräumen. Was innerhalb von zwölf Monaten nicht verbraucht wurde, kann weg. «Das ist wie mit dem Kleiderschrank. Was seit einem Jahr nicht mehr getragen wurde, zieht man ohnehin nicht mehr an.»
Und wer sich nicht zu dem radikalen Schritt durchringen kann? Ist der edle Fisch oder der mit so viel Liebe zubereitete Braten noch essbar? Sind sie vielleicht nach jahrelanger Zwischenlagerung sogar gesundheitsgefährdend? «Da passiert überhaupt nichts. Sie fallen nicht tot um!», beruhigt Ernährungswissenschaftlerin Dagmar von Cramm. Das Schlimmste, was passieren könne, sei, dass es nicht mehr schmeckt und die Qualität gelitten hat.
Produkte mit einem hohen Fettanteil könnten ranzig schmecken, wie etwa der Rest einer Weihnachtsgans oder Lachs. Sie sehen dann leicht grau-braun aus und sind oft schneebedeckt. «Die Ränder neigen zu Gefrierbrand. Das Lebensmittel ist dann weder verdorben noch giftig, aber eben unappetitlich», erklärt die Kochbuchautorin. Sie rät, keine rohen Sachen einzufrieren, sondern lieber fertig gekochte.
Von Cramm empfiehlt, immer mehrere kleine Portionen einzufrieren. Sie sollten direkt nach dem Kochen in Kühlboxen oder kleine Beutel abgefüllt werden. «Eintöpfe etwa immer schön flach drücken und die Luft sorgfältig aus dem Gefrierbeutel streichen. Das bietet keine Angriffsflächen, damit sich Eiskristalle bilden», erklärt die Ernährungsexpertin. Wird der Inhalt dagegen in großen Pötten eingefroren und wieder aufgetaut, bestehe die Gefahr, dass beim Auftauen alles matschig wird und tot kocht. Zudem gingen Vitamine verloren, und ab Temperaturen über 20 Grad breiten sich Keime aus.
Hygiene hat oberste Priorität.
Hygiene habe sowohl beim Einfrieren als auch beim Auftauen oberste Priorität. Fleisch etwa sei immer langsam im Kühlschrank aufzutauen. «Wurde beim Einfrieren nicht auf die Kühlkette geachtet oder stand das Essen vor dem Einfrieren stundenlang in der Küche, haben Bakterien nur geschlafen und vermehren sich beim Auftauen explosionsartig», erklärt Bischoff. Die Münchnerin rät zur Vorsicht vor tiefgefrorenen Geschenken. Die seien auf alle Fälle zu erhitzen. «Schließlich weiß man ja nicht, unter welchen Bedingungen sie eingefroren wurden.»
Wenn die aufgetaute Ware nicht unangenehm riecht (sonst weg!), könne man beispielsweise aus tiefgefrorenem Fisch ein Frikassee zaubern, schlägt Bischoff vor. Stellen mit Gefrierbrand einfach abschneiden. «Die schmecken sonst wie ledrige Schuhsohlen.» Sie würde den Fisch auch nicht im Ganzen zubereiten, sondern in Würfel schneiden und mit Frischfisch mischen. Das Ganze unter eine Gemüsepfanne heben und fertig. Eine Alternative seien Fischfrikadellen.
Dagmar von Cramm rät zur Suppe. «Egal was, Pürieren geht immer», ist ihre Devise. Ob Fleisch oder Gemüse – aufkochen, pürieren, mit Tomatenmark oder -saft, Bouillon und Schmand abschmecken und mit Croutons servieren. «Keiner weiß, was es ist, aber es schmeckt immer gut», macht die Buchautorin Mut.
Doch wie schafft man es, erst gar keine «Leichen» im Gefrierfach anzuhäufen? «Da hilft nur sichtbar machen», sagt Monika Bischoff. Sie schlägt eine Liste vor, die direkt am Tiefkühlschrank hängt und mit der man arbeiten kann. «Das Beste ist, wenn man die Zubereitung aktiv plant.» Steht etwa in der Liste, dass man frische Erbsen vor drei Wochen eingefroren hat, kann man weitere Zutaten hinzukaufen und für einen bestimmten Wochentag die Zubereitung festlegen.
Es gibt allerdings Sachen, die eignen sich gar nicht erst für die Tiefkühltruhe: Dabei handelt es sich etwa um Eier, Blatt- und Frischkostsalate, Radieschen, rohe Kartoffeln, Zwiebeln, Gurken oder Tomaten, zählt das deutsche Bundeszentrum für Ernährung (BZfE) auf. Auch ganze rohe Äpfel und Birnen sowie Baiser und Makronen mögen die frostigen Temperaturen von bis zu minus 18 Grad nicht. Die wasserreichen Lebensmittel werden beim Auftauen matschig und verlieren ihre typische Konsistenz, so das BZfE. Die Ernährungsexperten sehen auch Milchprodukte wie Joghurt, Dickmilch, Saure Sahne und Crème fraîche als ungeeignet. Grund: Diese flocken schnell aus und werden grießig. (dpa/Foto: Franziska Gabbert/dpa-tmn)