Gourmet

Was die jüdische Küche bietet (mit Rezept)

Wer traditionell jüdisch kochen möchte, braucht vor allem eins: viel Muße. Denn ein klassisches Sabbatessen kommt erst nach 24 Stunden aus dem Ofen. Schneller geht es mit Hummus, einem Pastrami-Sandwich oder einem Strudel.

Es ist Slow Food im wahrsten Sinne des Wortes: Spezialitäten aus der jüdischen Küche brauchen ihre Zeit. Wie viel Zeit genau? «Etwa 24 Stunden», sagt Rogel Rachman. Er leitet die Öffentlichkeitsabteilung der Israelischen Botschaft in Berlin und liebt es, für Gäste und seine Familie zu kochen. Für den Eintopf Tscholent, der traditionell zum Sabbat am Samstagnachmittag gegessen wird, fängt er mit den Vorbereitungen freitags an. Denn der Sabbat ist ein Ruhetag, an dem streng genommen nicht gearbeitet, und keine Elektrizität benutzt werden darf. Deshalb schmurgelt der Eintopf aus Fleisch, Kartoffeln und Bohnen fast einen ganzen Tag bei niedriger Hitze im Ofen, bevor er serviert wird.

Rachman ist in Israel geboren und hat sich das Kochen bei seiner Mutter abgeschaut. «Essen verbindet. Nachdem Leute in deinem Haus gegessen haben, ist die Beziehung zu ihnen eine andere», erzählt er, während er akribisch Zwiebeln hackt. Für die erste Version seines koscheren Tscholent hat er getrocknete Kichererbsen und Bohnen über Nacht einweichen lassen. Nachdem er die Zwiebeln angebraten hat, gibt er die Bohnen und zusätzlich Gerstenkörner in einen hohen Topf. Es folgen geschälte Kartoffeln. Auf Mengenangaben gibt Rachman nichts: «So viel, wie in den Topf hineinpasst», ist seine Devise. Zum Schluss fügt er einen Mix aus Rindfleischteilen hinzu – inklusive Knochen, für den Geschmack.

«Was heute in Israel populär ist, wurde nicht dort erfunden.»

Eine einheitliche jüdische Küche gibt es nicht. Was sie ausmacht, ist ihre Vielfältigkeit. Je nachdem, ob aschkenasische Juden am Herd stehen – das sind die nord- und osteuropäischen Juden – oder sephardische Juden, die von der arabischen und türkischen Küche beeinflusst sind: Die Zutaten und die Zubereitung variieren. So verwendet man in der sephardischen Küche beispielsweise Lamm statt Rind und würzt den Eintopf unter anderem mit Zimt, Kreuzkümmel und Nelken. Als Besonderheit gibt Rachman zum Schluss rohe Eier mit Schale in den Topf: «Sie bekommen über Nacht ein ganz besonderes Aroma», verspricht er.

Auch für Itay Novik sind die verschiedenen Einflüsse, die die jüdische Küche in Israel aufgenommen hat, das entscheidende Element. Novik ist in Tel Aviv geboren, arbeitet aber als Koch und Foodstylist seit sechs Jahren in Berlin. «Was heute in Israel populär ist, wurde nicht dort erfunden.» Hummus und Falafel kommen ursprünglich aus dem Libanon, Schawarma ist ein Gericht aus der arabischen Küche. In Israel wird es mit Huhn zubereitet. «Seit zwei Jahren findet aber ein Wandel statt», beobachtet Novik. In Israel setzen viele Köche verstärkt auf frische, regionale Zutaten. So kocht auch Novik am liebsten: Er röstet zum Beispiel Rote Bete im Ofen und serviert sie mit einem Walnussdip und Ziegenkäse auf einer Pizza.

Florence Kahn hat der Frage, was die jüdische Küche für sie bedeutet, ein ganzes Buch gewidmet. Sie stammt aus einer jüdisch-aschkenasischen Familie und kennt deshalb noch einmal andere Rezepte. Sie führt im jüdischen Viertel Marais in Paris außerdem ein eigenes Geschäft und kennt sich sowohl mit traditionellen Rezepten als auch modernen Varianten aus. So finden sich in ihrem Kochbuch neben schnell gemachten Vorspeisen wie Hummus und einem Zucchinistrudel auch aufwendigere Feiertagsgerichte wie eine Matzen-Gemüse-Lasagne, also ein Auflauf mit ungesäuertem Brot. Und auch ein Rezept für Pastrami-Sandwiches hat sie parat, die es oft in jüdischen Feinkostgeschäften zu kaufen gibt. Pastrami ist ein Stück Rinderbrust, die mehrere Tage in einer Marinade gepökelt und anschließend geräuchert wird. Es kommt zusammen mit Gewürzgurke, Tomate und Paprikapüree in ein Zwiebelbrötchen.

 

Zum Themendienst-Bericht von Julia Kirchner vom 16. November 2016: Foodstylist und Koch Itay Novik verwendet gerne frisches Gemüse: zum Beispiel geröstete Rote Bete mit einem Walnussdip und Ziegenfrischkäse als Pizzabelag. (ACHTUNG - HANDOUT - Nur zur redaktionellen Verwendung durch Themendienst-Bezieher im Zusammenhang mit dem genannten Text und nur bei vollständiger Nennung des nachfolgenden Credits.) Foto: Itay Novik | usage worldwide

Foodstylist und Koch Itay Novik verwendet gerne frisches Gemüse: zum Beispiel geröstete Rote Bete mit einem Walnussdip und Ziegenfrischkäse als Pizzabelag. Foto: Itay Novik

Die Kundschaft, die Florence Kahn in ihrem Geschäft empfängt, kommt aus der ganzen Welt. Besonders groß ist der Anteil an jüdischen Kunden: Aber natürlich kommen auch viele Touristen in ihren Laden, seit einiger Zeit vermehrt Chinesen, Koreaner und Japaner, die neugierig auf die Küche sind. Welches Gericht geht bei ihr am häufigsten über den Ladentresen? «Der Cheesecake», erzählt Kahn. Es gibt ihn in verschiedenen Geschmacksrichtungen, mit Heidelbeeren, Sauerkirschen, Mohn oder Pistazien.
Der Tscholent, den Rogel Rachman kocht, ist zwar aufwendig in der Vorbereitung, aber auch für Laien einfach nachzukochen: «Man kann nichts falsch machen, außer ihn verbrennen zu lassen.» Damit das nicht passiert, kommt das Gericht bei 100 Grad einen Tag lang in den Ofen. Die Mischung aus Kartoffeln, Gerste, Bohnen und Fleisch gießt er zum Schluss mit heißem Wasser und Rinderbrühe auf. Als süße Note gibt er entsteinte Datteln und karamellisierten Zucker hinzu. Um die Wärme über den langen Zeitraum im Topf zu halten, versiegelt Rachman den Topf: Dazu mischt er Weizenmehl und Wasser zu einer klebrigen Paste und streicht sie über den Deckelrand. Danach heißt es: abwarten und den Eintopf sich selbst überlassen.

Wenn er Samstagmorgens aufsteht, verrät Rachman allein der Geruch, wie gut ihm der Tscholent geglückt ist. Da der Fleischeintopf sehr reichhaltig ist, kocht er das Essen meist für Gäste. Nach 24 Stunden ist dann der große Moment gekommen: Rachman holt beide Eintöpfe mit Rind und Lamm aus dem Ofen. Vorsichtig bricht er die Weizenkruste auf: In der Küche breitet sich ein intensiver Fleischduft aus. Als Nächstes nimmt er vorsichtig die Eier aus dem Topf, damit die Schale nicht kaputt geht.
Nach den ersten Bissen wird schnell klar, wie sehr der Eintopf von der langen Schmorzeit profitiert hat: Das Fleisch ist so zart, dass es zerfällt, die Kartoffeln sind so gar, dass sie ganz glasig aussehen. Und die Eier haben nichts mit dem deutschen hartgekochten Frühstücksei zu tun: Sie haben ein fast rauchiges Aroma und die braune Farbe des Fleischsaftes angenommen.
Der Fleischeintopf kommt bei Rachmans Gästen sehr gut an. Es bleibt kaum etwas übrig. Doch als Rachmans Frau das Dessert serviert, ein Halva-Parfait aus Sesamsamen, Honig und Sahne, greifen alle nochmal zu. Auch hierfür gibt es großes Lob. «So ist es immer», seufzt er. «Egal, wie gut mein Eintopf war, meine Frau heimst am Ende das ganze Lob ein.» (dpa)

REZEPT: Zucchinistrudel

In den Zucchini-Strudel kommt eine cremige Mischung aus Ziegenfrischkäse, Quark, Eiern und Gewürzen. Foto: h.f.ullmann/Delphine Constantini

In den Zucchini-Strudel kommt eine cremige Mischung aus Ziegenfrischkäse, Quark, Eiern und Gewürzen.
Foto: h.f.ullmann/Delphine Constantini

Die jüdische Küche kennt herzhafte und süße Strudel. Bei diesem Rezept werden Zucchinistreifen mit einer würzigen Ziegenfrischkäse-Quark-Füllung vermischt und in den Strudelteig eingerollt. Das Rezept stammt aus dem Buch «Meine Jüdische Küche» von Florence Kahn aus dem h.f.ullmann-Verlag. Die angegebene Menge reicht für acht bis zehn Personen:

Zutaten für den Strudelteig:
1 Kilogramm Mehl, 5 Eier, 300 Milliliter Wasser, 120 Milliliter Sonnenblumenöl, 1 Teelöffel Salz
Zubereitung: In der Rührschüsssel einer Küchenmaschine das Mehl, 300 Milliliter Wasser, Eier und Öl mit dem Flachrührer vermischen, dann Salz hinzufügen. Die Geschwindigkeit steigern und kräfig rühren: Der Teig soll sich erhitzen und am Schüsselrand kleben bleiben. Die Teigkugel in eine Schüssel legen, mit Frischhaltefolie abdecken und mindestens eine Stunde im Kühlschrank aufbewahren.
Ein sauberes Geschirrtuch auf der Arbeitsfläche ausbreiten. Die Teigkugel darauflegen. Den Teig mit einem Nudelholz 1,5 Millimeter dick ausrollen und ihn dabei so weit wie möglich dehnen. Die Teigecken mit Gewichten beschweren, damit sich der sehr elastische Teig nicht wieder zusammenzieht. Den ausgerollten Teig mit der Füllung ihrer Wahl belegen.

Zutaten für den Zucchinistrudel:
1 Portion herzhafter Strudelteig, 2 Zucchini, 1 Knoblauchzehe, 20 Gramm glatte Petersilienblätter, 200 Gramm Ziegenfrischkäse, 75 Gramm cremiger Quark, 100 Milliliter Vollmilch, 10 Gramm ganze Kreuzkümmelsamen, 2 Eier, 20 Gramm Mehl, Salz, Pfeffer, 75 Gramm Cracker, 25 Gramm Erdnussflocken, 50 Gramm geriebener Parmesan, 50 Gramm streichfähige Butter
Zubereitung: Die Zucchini waschen und die Enden abschneiden. Die Zucchini mit einem Gemüseschäler der Länge nach in dünne Streifen schneiden. Die Knoblauchzehe schälen und mit einer Knoblauchpresse zerdrücken. Die Petersilienblättchen waschen und fein hacken. Den Backofen auf 160 °C vorheizen. Die Zucchinistreifen 30 Sekunden in einen Topf mit kochendem Salzwasser tauchen. In ein Sieb geben und kalt abschrecken. Auf einer Lage Küchenpapier trocknen
lassen.
In einer Schüssel den Ziegenfrischkäse und den Quark mit einer Gabel vermischen. Mit der Milch glatt rühren. Knoblauch, Petersilie und Kreuzkümmelsamen zufügen, dann die Eier nacheinander einarbeiten. Das Mehl untermengen. Salzen und pfeffern. Die Zucchinistreifen hineingeben und untermischen. Cracker, Erdnussflocken, Parmesan und Butter in den Mixer geben und zerkleinern. Die Ziegenkäse-Zucchini-Masse auf den Strudelteig geben und das Ganze einrollen. Die Oberseite des Zucchini-Strudels mit dem Mix aus Crackern, Erdnussflocken, Parmesan und Butter bestreichen. Den Strudel bei 160 °C 1 Stunde im Backofen backen.

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