Im Leben von Ana María Romero vergeht kein Tag ohne Olivenöl. Sie beträufelt ihr Toastbrot damit, badet regelrecht Salat oder Spiegeleier darin, nutzt es zum Backen. «Manchmal trage ich es auch gegen trockene Lippen und bei kleinen Verletzungen auf», sagt sie und greift aufs Neue zur Ölflasche.
Romeros Blick fällt von der Taverne Casa José in Montoro hinab in die Tiefe auf den Fluss Guadalquivir. Oliven begleiten die 50-Jährige seit ihrer Kindheit. Der Vater war Landwirt, die nächste Ölmühle nicht weit. Wenn sie als Mädchen bei der Ernte im November mithalf, erfroren ihr am Morgen fast die Finger, wie sie erzählt.
Heute ist Romero Bürgermeisterin ihres Heimatstädtchens Montoro und Vorsitzende der Spanischen Vereinigung der Olivenanbau-Gemeinden. Sie schätzt, dass etwa ein Viertel der weltweiten Produktion aus den andalusischen Provinzen Córdoba und Jaén stammt.
Die Monokulturen bestimmen die Landschaft fernab der Urlaubszentren an der Küste: Meere aus Ölbäumen, die sich über die Hügel ziehen, in Täler absacken, verstreute Gehöfte und Dörfer umzingeln.
Olivenöl ist Detox pur
Roger Schläpfer ist weit weg von Oliven aufgewachsen. Er eignete sich die Kenntnisse darüber später über Fachbücher und Kontakte zu den Einheimischen an. Der 57-Jährige war einmal Banker und Head Hunter in der Schweiz. Dann baute er im Osten der Provinz Córdoba bei Montoro mit seiner Frau Brigitte eine historische Olivenmühle zum Landhotel «Olivetum Colina» um. Seither ist er Herr über 300 knorrige Bäume.
«Der Olivenbaum ist unglaublich resistent», sagt Schläpfer bei einem Spaziergang durch die Haine. «Er kann, wenn es nicht gut läuft, von März bis Ende Oktober keinen Tropfen Regen bekommen. Die Gluthitze des Sommers überlebt sonst niemand ohne Wasser – aber der überlebt. Ich kann mir das nicht erklären. Das ist ein Wunder.»
Seinen Gästen zeigt Schlöpfer die Haine gerne und erklärt ihnen vieles. Kenner wie er wissen: Je höher der Stressfaktor durch das Klima, desto besser das Resultat. «Dann ist am Ende das Olivenöl ein Selbstläufer, wenn man keine Fehler macht.» Natürlich spiele die Sauberkeit eine Rolle, das Tempo, die Menge, der Zeitpunkt der Ernte. «Das sind wenige Faktoren, und man hat ein brillantes Produkt.»
Gesundheitstipp: ein Löffel Olivenöl am Morgen
Zur Erntezeit beschnüffelt Schläpfer die Oliven gerne auf ihre Fruchtigkeit. «Wenn es riecht wie Gras, das du gerade im Garten frisch gemäht hast, dann ist das ein sehr gutes Zeichen.» Außerdem gebe es noch Tomaten-, Bananen- und viele andere Aromen.
Seine Frau Brigitte ist diplomierte Diätistin und definiert Olivenöl als «Heil- und Wundermittel erster Güteklasse». Bei der Kostprobe hebt die 55-Jährige hervor, wie sehr das Öl Cholesterin reduziert und als Entzündungshemmer und Fettverbrenner wirkt. «Detox pur.»
Ihr Tipp ist ein Esslöffel Olivenöl am Morgen, auch wenn das eine gewisse Überwindung erfordert – als «Kanalreinigung für unseren Stoffwechsel». «So tut man sich etwas Gutes ohne viel Aufwand.»
Kleinproduzenten wie die Schläpfers lassen ihr Öl bei den Brüdern Javier und José Manuel Prieto pressen. Der Familienbetrieb Pago las Monjas nahe Montoro besteht seit 1754 und arbeitet heute auf Höhe der Zeit. Die archaischen Pressen, zu denen vormals säckebeladene Maultiere trotteten, sind von modernen Gerätschaften aus Edelstahl abgelöst worden: Tanks, Zentrifugen, Filter- und Abfüllmaschinen.
Ein Naturprodukt für den Haarglanz
Dass Olive nicht gleich Olive ist, lernt man spätestens hier. Picual und Nevadillo Negro heißen die verbreitetsten Sorten, die auf Schiefer- und Sandsteinböden gedeihen. «Das Öl ist fünf, sechs Monate nach der Pressung an seinem idealen Punkt», erklärt José Manuel Prieto. Lagern könne man das Naturprodukt über eineinhalb Jahre.
Javier Prieto schwört auf Olivenöl auch für kosmetische Zwecke, er vertraut den Aussagen seiner Freundin Patricia. «Es hilft ihr gegen Ekzeme, da hatte sie vorher schon alles Mögliche ausprobiert. Und sie streicht sich das in die Haare, die werden dann superglänzend.»
Neue Geschmackswege beschreitet die Olivenfabrik Torrent bei Aguilar de la Frontera in der Provinz Córdoba. Hier gibt es Oliven mit Ananas-, Curry, Dattel- und Schokoladenaroma. «Oder für Kinder mit Pizzageschmack», sagt Betriebsleiter Álvaro Morillo-Velarde.
Dass der 50-Jährige Spanier keine Oliven mag, ist eine kuriose Randnotiz. Bei den innovativen Kreationen in Kleindosen hofft er auf neue Absatzmärkte im arabischen Raum und Fernen Osten.
Noch weiter reichen die Gedankenspiele von Öl-Enthusiastin Ana María Romero. Sie plädiert dafür, die Landschaften des traditionellen Olivenanbaus zum Unesco-Weltkulturerbe zu erklären. (dpa/Fotos: Andreas Drouve/dpa-tmn)