Viele Wildkräuter sind in Gärten nicht gerne gesehen. Warum sie dann nicht einfach aufessen? Auf Salaten, in Limonaden, als Kräuterquark oder in Füllungen für Strudel und Quiche bringen sie Farbe und Abwechslung in die Küche – nicht nur im Sommer.
Ob Gänseblümchen oder Löwenzahn: Essbare Pflanzen finden sich meist ohne lange Suche. «Das Schöne ist, dass die Wildkräuter vor unserer Haustür wachsen. Man muss einfach nur hinschauen», sagt die Kräuterpraktikerin Anja Fischer, die auf ihrem Naturblog «Gänseblümchen & Sonnenschein» darüber schreibt, wie sie mit ihren Kindern die Umgebung erkundet.
«Noch besser als bio ist wild»
Bei Touren und mit ihrem Entdeckungsbuch für Familien möchte sie Neugier für Wiesenkräuter wecken. «Ich sage in meinen Kursen immer: Noch besser als bio ist wild.» Denn Wildkräuter müssen nicht weit transportiert werden und brauchen keine Verpackungen. Auch enthalten sie in der Regel mehr Vitamine und Mineralstoffe als Kulturgemüse, sagt die Kochbuchautorin und Youtuberin Martina Merz.
Im Vordergrund steht für sie aber das Kulinarische: «Es geht um die Lust daran, den ganzen Tisch voller Zeug zu haben und dann zu gucken: Was mache ich daraus?» Die Beschäftigung mit Wildkräutern führe dazu, dass man viel Zeit draußen verbringe. «Ich bin dann ganz still und konzentriert. Das ist wie Meditation für mich.»
Löwenzahnknospen mit Knoblauch anbraten
Viele Pflanzen aus der Wildkräuterküche sind alte Bekannte. Vom Löwenzahn etwa lasse sich die ganze Pflanze verwenden, sagt Anja Fischer. «Die Löwenzahnherzen, den dicken, fleischigen Teil zwischen Wurzel und Stängel kann man als Artischockenersatz nehmen und mit Essig und Öl einlegen. Das ist großartig.»
Aus Blättern und Stängeln mache sie Salat und nutze die Blüten als Dekoration. Auch die Knospen der Pflanze lassen sich verwenden. Martina Merz empfiehlt, sie mit Olivenöl und Knoblauch anzubraten und Parmesan oder gerösteten Buchweizen darüber zu streuen.
Langsam an ungewohnte Geschmäcker herantasten
Anfangs könne der Geschmack von Wildkräutern ungewohnt sein, sagt sie. «Die Bitterstoffe wurden aus unserem Kulturgemüse herausgezüchtet, deshalb sind wir nicht mehr daran gewöhnt.» Sie empfiehlt, sich heranzutasten und erst einmal nur wenige Kräuter zu sammeln, um sie über Salat zu streuen oder zu Kartoffeln und Quark zu essen. «Gut ist auch, sie mit Sachen zu mischen, die den bitteren Geschmack etwas ausgleichen – Fett, Zucker, Ei oder Käse. Feta und Wildkräuter passen zum Beispiel gut zusammen.»
Für die Wildkräuterküche eignen sich auch Pflanzen, die in vielen Gärten nicht besonders beliebt sind – so wie Giersch, Vogelmiere oder Brennnessel. «Vogelmiere esse ich eigentlich am liebsten im Salat. Sie hat einen Geschmack wie junge, zarte Maiskölbchen.
Man kann aber auch eine Suppe oder ein tolles Pesto daraus machen. Oder eine Handvoll davon in Smoothies mischen», sagt Buchautorin und Kräuterexpertin Marion Reinhardt, die im Raum Fürth unter dem Namen «Wilde Möhre» Wildkräuterwanderungen und Workshops anbietet.
Limonade und bunte Blüten im Sommer
Eher sparsam verwende sie die Blätter und die blauen Blüten des Gundermann. «Er polarisiert ein bisschen. Manche spucken den gleich wieder aus, andere finden ihn sehr lecker und aromatisch», so Reinhardt.
Als vielseitig erweise sich der Giersch: «Man kann ihn fast das ganze Jahr verwenden und viel damit machen – einen gemischten Salat oder Suppe zum Beispiel. Man kann ihn wie Spinat kochen, aber auch für Füllungen von Strudel oder Quiche verwenden.» Am liebsten mache sie daraus Limonade: Möglichst große Blätter mit dickem Stiel zerquetschen, in Wasser geben und über Nacht stehenlassen. «Das ist etwas sehr Erfrischendes und Durstlöschendes», sagt Marion Reinhardt.
Auch Gänseblümchen-Limonade sei köstlich, sagt Anja Fischer. Dafür kocht sie einen Sirup mit Zucker und Wasser, in dem die Blüten ihrer Lieblingspflanze zwei Tage eingelegt waren. An warmen Tagen macht sie daraus Wassereis – mit ein paar Gänseblümchen drin. Der Sommer ist die Zeit der Blüten. «Was man definitiv durch die Wildkräuter in die Küche holt, ist Farbe», sagt die Kräuterbloggerin.
Nesseltrick: Brennhaare mit heißem Wasser überlisten
Wie der Giersch ist auch die Brennnessel sehr vielseitig. «Das ist eine großartige Pflanze, die niemand will, aber immer da ist. Ich würde deshalb vorschlagen, sie einfach zu essen», sagt Anja Fischer. Sie kocht daraus einen Brei, den sie in Knödelmasse rührt, isst sie frisch im Salat oder kocht eine Suppe daraus. Sie empfiehlt, die Blätter mit Handschuhen zu ernten, um sich nicht zu verbrennen.
«Wenn sie mit heißem Wasser überbrüht werden, sind die Brennhaare außer Gefecht gesetzt.» Wer die Blätter frisch essen will, kann mit einem Nudelholz oder einer Flasche darüber rollen, damit sie nicht mehr brennen. Ab August lassen sich auch die Samen der Brennnessel ernten. «Sie enthalten viel Magnesium und Eisen und schmecken sehr lecker. Man kann sie einfach frisch in den Salat geben, getrocknet oder leicht in Butter geröstet, auf Risotto, Müsli, Porridge oder Butterbrot streuen», sagt Martina Merz.
Nur das sammeln, was man sicher erkennt
Für den Einstieg in die Wildkräuterküche empfiehlt sie, an Führungen teilzunehmen, um die Umgebung und andere Menschen kennenzulernen. Auch mithilfe von Apps könne man anfangen, sich mit der Natur auseinanderzusetzen. Allerdings sollte man damit keine essbaren Pflanzen bestimmen, rät sie. Die Verwechselungsgefahr mit giftigen Gewächsen sei zu groß.
«Die wichtigste Grundregel ist, nur das zu sammeln, was man sicher erkennt», sagt Marion Reinhardt. Außerdem wichtig: Nur so viel ernten, wie man braucht. Geschützte Arten und Pflanzen in Naturschutzgebieten dürften nicht gepflückt werden.
Martina Merz rät auch zu gucken, wo man sammelt. «Viele essbare Pflanzen wachsen auf stickstoffreichen Böden, zum Beispiel auf Misthaufen oder am Kompost. Dann aber enthielten sie viele Nitrate und schmeckten auch nicht so gut.» Stellen an viel befahrenen Straßen oder Hundeklos empfiehlt sie zu meiden. Abseits belebter Wege aber fänden sich selbst in großen Städten gute Orte zum Sammeln – beispielsweise steile Böschungen oder einsamere Stellen in Parks. (dpa/Foto: Valerie Hammacher/Ars Vivendi/dpa-tmn)