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Essenz aus Meer: Würzen mit Fischsoße bringt Geschmacksexplosion

Wer zum ersten Mal Fischsoße riecht, zuckt meist intuitiv zusammen. Die klare, bernsteinfarbene bis rötlichbraune Flüssigkeit aus Sardellen hat einen intensiven Geruch. Als eine der wichtigsten Würzsoßen Südostasiens peppt sie dort fast jedes Essen auf. Italophile Genießer dagegen schwören auf das Gewürzkonzentrat «Colatura di Alici» aus Kampanien oder Sizilien. Das Geheimnis der «Essenz des Meeres» ist ihr Umami-Geschmack.

«Fischsauce ist eine Kombination aus Salz und umami», schwärmt Food-Blogger Stefan Leistner. Das japanische Wort «umami» steht für «wohlschmeckend» und bezeichnet eine nach süß, sauer, salzig und bitter nicht so geläufige fünfte Geschmacksrichtung.

«Entsprechende Rezeptoren wurden Anfang des 20. Jahrhunderts von dem japanischen Chemiker Ikeda Kikunae auf der menschlichen Zunge entdeckt», schreiben Thomas Vilgis und Thomas Vierich in ihrem detailreichen Werk «Aroma essenziell. Die praktische Kunst des Würzens». Dieser als «herzhaft» und «fleischig» beschriebene Geschmack entsteht durch freie Glutaminsäure und deren Salz, das oft als Geschmacksverstärker bezeichnete Glutamat.

Fischsoße hebt Eigengeschmack der Zutaten hervor

Stefan Leistner verwendet Fischsoße beim Kochen überall dort, wo er den Eigengeschmack hervorheben will. «Die würzige Soße ist das Herzstück der vietnamesischen Küche. Kaum ein Gericht, das nicht durch sie gewürzt, belebt und vollendet wird», sagt der Asienexperte. Ein in Vietnam beliebter Dip sei Nuoc Cham oder Nuoc Mam Pha, der etwa zu Frühlingsrollen gereicht wird. Hauptzutat ist Fischsoße, die mit Zucker, Reisessig, Knoblauch und Chilis angerührt wird.

Sardellen werden noch an Bord mit Salz vermengt

Die «weltbeste» Fischsoße ist für Leistner die «Red Boat Fish Sauce» von der Insel Phu Quoc. Dort wird seit über 200 Jahren «Nuoc Mam» – übersetzt «Fischwasser» – hergestellt. Der Food-Blogger hat sich die Produktion seiner Lieblingsmarke vor Ort angeschaut.

«Die frisch gefangenen Sardellen werden schon an Bord mit Salz vermengt, damit keine Fäulnisbakterien entstehen», erzählt er. An Land werden sie in große Holzfässer geschichtet. «Die sind etwa vier Meter hoch und haben ein Fassungsvermögen von jeweils einigen Tausend Litern. Darin lagern die Fische 12 bis 18 Monate», so Leistner. Die entstehende Flüssigkeit werde Tropfen für Tropfen gesammelt und wieder ins Fass gepumpt. Am Ende wird der Extrakt abgezapft und in Glasflaschen abgefüllt.

Italienische Variante etwas leichter im Geschmack

Was für Vietnamesen «Nuoc Mam» oder Thailänder «Nam pla» ist, schätzen Italienfans als «Colatura di Alici», frei übersetzt Sardellentropfen. Für Autor und Food-Fotograf Hans Gerlach aus München sind die Varianten aus Italien und Vietnam «in der Zubereitung extrem ähnlich, mit der Ausnahme, dass bei der Colatura di Alici vor dem Einlegen Kopf und Innereien entfernt werden. Das macht wohl den leichteren Fischgeschmack aus.» Was dem gelernten Koch persönlich besser mundet.

Italiener schwören auf das Gewürzkonzentrat «Colatura di Alici», frei übersetzt Sardellentropfen. Foto: Zibibbo GmbH/dpa

Fisch in Soße zu verwandeln, ist keine neue Erfindung, sagt Christoph Reden, Geschäftsführer des Onlinehändlers Zibbibo für italienische Spezialitäten mit Sitz in Innsbruck. Bereits in der Antike hatten die Römer von den Griechen eine Fischsoße namens Garum übernommen.

Ganze Fische wie Lachs, Aale oder Sardellen, einschließlich der Innereien, vermischte man in Bottichen mit Salz und ließ sie in der Sonne fermentieren. Die entstandene Flüssigkeit wurde für den Handel in Amphoren abgefüllt. Garum war im alten Rom so beliebt, das es kaum ein Gericht gab, dass damit nicht anstelle von Salz gewürzt wurde. Die Fischbrühe war bereits damals ein Massenprodukt.

Für einen Liter «Calatura» braucht es 30 Kilo Fisch

Seit 2020 gibt es die «Sardellentropfen» mit geschützter Ursprungsbezeichnung aus Cetara, einem kleinen Ort an der Amalfiküste. Die Vereinigung «Freunde der Sardellen» (Amici delle Alici) wacht über Produktion und Einhaltung der Regeln.

In Sizilien ist Sciacca für seine Colatura bekannt. Die Anchovis werden von April bis August direkt vor der Küste gefangen. Es gibt kaum Unterschiede bei der Herstellung zum Prozedere der Römer oder der Asiaten. «Nach dem Fang werden die Fische geköpft, ausgenommen und 24 Stunden in Salz gelegt, damit sie Wasser ziehen. Danach werden sie in Eichenfässer geschichtet, eine Lage Fisch, eine Lage Salz und so weiter, bis das Fass voll ist und mit Steinen beschichtet», erklärt Reden. Für einen Liter Colatura braucht man etwa 30 Kilogramm Sardellen und der Reifeprozess kann bis zu neun Monate dauern.

Die Würzsoße macht alles, was mit ihr in Berührung kommt, noch einmal viel besser. Vorausgesetzt, sie stammt aus handwerklichen Manufakturen wie die Konzentrate aus Phu Quoc, Cetara oder Sciacca. Ihnen fehlt alles, was an Fischsoßen oft muffig und penetrant sein kann.

Sardellentropfen statt Salz für die Pasta

Ruckzuck gelingt damit eine Pasta mit Geschmacksexplosion! Spaghetti oder Linguine ohne Salz kochen, Petersilie, Chili sowie Knoblauch fein schneiden, mit etwas Nudelwasser verrühren und wenigen Tropfen Fischsoße würzen, zum Schluss abgetropfte Nudeln unterheben. Mehr braucht es nicht für die süditalienische Spezialität «Spaghetti di Colatura di Alici». Hans Gerlach peppt sie mit Mangold und Bröseln aus Brezeln, Thymian, Knoblauch und Rosinen auf.

«Der Einsatzbereich ist groß. Es gibt viele Rezepte, wo ein kleiner Tropfen passt», sagt er. Er würzt zum Beispiel einen Hühnereintopf damit und bisweilen auch Salatdressing. Stefan Leistner sorgt mit einigen Tropfen bei «Sauce bolognese» für den letzten Pfiff. Für ihn passt Fischsoße zu allen Speisen, bei denen noch eine extra Portion Umami-Geschmack gewünscht wird.

«Ein schnelles und köstliches Gericht sind Spaghetti mit Zucchini und Fischsoße», schwärmt er. Dazu klein gewürfelte Zucchini in Olivenöl scharf anbraten, mit einem Esslöffel Fischsauce würzen, unter die gekochten Nudeln geben und mit etwas Olivenöl abschmecken. Wohlschmeckend, umami eben! (dpa/Foto: Zibibbo GmbH/dpa-tmn)

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