Aus Kräutern und Früchten lassen sich aromatische Tees zubereiten – selbst geerntet, versteht sich. Der Heilpflanzen-Experte und Buchautor Rudi Beiser gibt Tipps für den selbst gesammelten Aufguss, der schmeckt und gut tut.
Welche Pflanzen kann man für Aufgüsse verwenden?
Rudi Beiser: Im Prinzip können Sie alles von einer Pflanze verwenden, solange es nicht giftig ist. Die Frage ist vielmehr, wie es schmeckt oder welche Wirkung es hat – das haben die Menschen Jahrhunderte lang ausprobiert. Dabei macht es durchaus Sinn, einzelne Pflanzenteile zu differenzieren: Die Blüte der Kamille zum Beispiel enthält mehr ätherische Öle als ihre Blätter. Sie hat daher eine stärkere Wirkung und wird eher für Tees eingesetzt. Bei Kümmel und Anis wiederum verwenden wir die Samen. Kraut und Wurzel sind durchaus ebenfalls interessant, besitzen aber weniger Aroma.
Welche Teepflanzen sind eher unbekannt?
Beiser: Giersch und Gundermann gibt es als Genuss-Tee nicht zu kaufen. Dabei ergeben beide sehr spannende, würzige Tees, die auch eine pharmakologische Wirkung haben. Giersch ist harntreibend und eignet sich für Entgiftungskuren und bei Harnwegsinfekten. Aus Gundermann lässt sich ein Hustentee zubereiten, weil er eine schleimlösende Wirkung hat.
Teekräuter wild sammeln oder selber anbauen – was empfehlen Sie?
Beiser: Das kommt darauf an, welchen Tee ich haben möchte. Würzige mediterrane Kräuter wie Bohnenkraut, Thymian, Salbei und Rosmarin finden Sie hier nicht in der freien Natur. Auch Exoten wie Duftnessel, Anis-Ysop, Zitronenverbene und der argentinische Teestrauch gedeihen nur im Kübel. Was wild wächst, können Sie aus meiner Sicht aber auch wild sammeln.
Welche Wildpflanzen empfehlen Sie Einsteigern?
Beiser: Tee, gerade für den reinen Genuss, ist immer Geschmackssache. Die einen finden Holunderblüten anziehend, andere rümpfen die Nase. Auch an Brennnesseln scheiden sich die Geschmäcker. In meinem Sammelkörbchen würden auf jeden Fall Holunderblüten, Lindenblüten, Schafgarbe und Dost, der auch Wilder Majoran genannt wird, liegen. Sehr hübsch finde ich auch Gänseblümchen, Kornblumen, Malven und Klatschmohn. Geschmacklich bringen sie nicht viel mit, aber das Auge trinkt mit.
Inwiefern ist ein separates Teebeet beim Anbau im Garten empfehlenswert?
Beiser: Ein Beet nur für Teekräuter kann durchaus sinnvoll sein. Gewürz- und Wildkräuter brauchen einen mageren, manchmal sogar recht kargen Boden. Ein normaler Gartenboden hat durch das Düngen zu viele Nährstoffe, so dass die Kräuter weniger Aroma entwickeln.
Was gelingt auch auf Fensterbank, Balkon oder Terrasse – sprich: in Gefäßen?
Beiser: Gefäße haben den Vorteil, dass Sie Substrate mischen können, die viel besser auf die Bedürfnisse der Kräuter abgestimmt sind. Aus Sicht der Pflanze sind Kübel aber auch Extremstandorte, bei denen sehr viel Wasser verdunstet und Wärme einströmt. Das Behältnis muss daher so groß wie möglich sein, damit das Wurzelklima ausgeglichen ist und Erde nicht so schnell austrocknet. Das ist sehr wichtig: Bei Trockenstress gehen Pflanzen schnell in Blüte – und wir wollen doch für den Tee meist von ihren Blättern profitieren.
In welcher Jahreszeit werden Teekräuter geerntet?
Beiser: Das hängt von der Pflanze ab, da sich durch den Vegetationsprozess der Stoffwechsel verändert. Wer zum Beispiel Schwarztee mit fermentierten Brombeer-, Himbeer- und Erdblätter imitieren möchte, sammelt am besten junge Blätter im Frühjahr. Je älter die Blätter werden, desto mehr Gerbstoffe enthalten sie. Minzen wiederum haben kurz vor der Blüte das beste Aroma. Im Frühjahr schmecken sie noch recht muffig. Die Blütezeit ist bei den meisten Kräutern die beste Erntezeit – nur die Melisse sollten Sie unbedingt vorher sammeln, sonst schmeckt sie nicht mehr.
Inwiefern macht das Wetter bei der Ernte einen Unterschied?
Beiser: Alle sekundären Pflanzenstoffe hängen mit der Photosynthese zusammen. Das bedeutet: Schönes Wetter ist für die Ernte immer gut, Hitze eher weniger. Denn dann verdunsten die Pflanzen die ätherischen Öle, um sich zu kühlen. Ernten Sie daher Thymian, Rosmarin und Salbei lieber bei 20 und 25 Grad um die Mittagszeit, dann sind sie am aromatischsten.
Wie lassen sich Kräuter konservieren?
Beiser: Schonend und nie in der Sonne. Trocknen Sie die Kräuter in einem abgedunkelten Zimmer, einem Trockenschrank oder Dörrgerät bei Temperatur um 30 Grad. Danach wird die Ware möglichst als Ganzes gelagert. Jede Zerkleinerung öffnet Zellen, durch die ätherischen Öle entweichen können. Bei ganz gelagerten Kräutern liegt der Verlust bei etwa fünf Prozent, bei zerkleinerten sind es 30 bis 40 Prozent pro Jahr. Den Unterschied merken Sie ganz deutlich, wenn Sie die Blätter erst kurz vor dem Überbrühen zerkleinern: Die kleine Duftwolke, die nach dem Zerquetschen entweicht, ist ein Genuss, der alle Sinne belebt.
Wie wird der Tee richtig zubereitet?
Beiser: Überbrühen Sie Kräutertee mit 90 Grad heißem Wasser und decken Sie die Kanne ab, damit alle Duft- und Geschmacksstoffe darin bleiben. Bei ganzen Blättern reichen in der Regel drei Gramm pro Liter. Lassen Sie frische Blätter maximal drei Minuten, getrocknete maximal sieben Minuten ziehen. Danach lösen sich die Gerbstoffe und der Tee schmeckt unangenehm. (dpa/Foto: Christin Klose/dpa-tmn)