Am Freitag ließ Ricarda Grommes die Katze aus dem Sack. Seit mehreren Wochen war in der Gerüchteküche bereits zu hören, dass die 34-Jährige das Konzept ihres Restaurants Quadras in der St.Vither Malmedyer Straße neu ausrichten würde. Und das bestätigte sich. Nach den Sommerferien wird sie sich von der Brasserie verabschieden und sich auf das Sternerestaurant konzentrieren. Die Fragen nach dem Warum hat sie in einer ausführlichen Pressemitteilung beantwortet, die wir nachfolgend im Wortlaut veröffentlichen.
Die Entscheidung mag viele überraschen, aber für Ricarda Grommes selbst ist sie unumgänglich. Leider, wie sie freimütig einräumt. Und so erfährt „Quadras“ Ende Juli eine einschneidende Veränderung.
Ich werde den Brasserie-Betrieb im „Quadras“ leider zum 28. Juli einstellen müssen, da die Zweispurigkeit im bisherigen Format nicht mehr zu bewältigen ist. Aufgrund des ungebrochenen Andrangs, vor allem seit rund einem Jahr, könnte es – vor allem ohne zusätzlichen Personalaufwand – langfristig immer schwieriger werden, die gewünschte Qualität und Auswahl in beiden Formaten auf dem aktuellen Niveau zu halten. Und das wäre dann unverantwortlich.
Freilich ist die Entscheidung keineswegs eine kurzzeitige, sondern über längere Zeit gereift.
Aufgekommen ist die Überlegung bereits Ende letzten Jahres, also vor rund sechs Monaten. Und hat nachfolgend zunächst einmal zu einer tiefen Verunsicherung geführt, als ich gemeinsam mit meinem Mann Kevin über Wochen das Für und Wider abgewogen habe.
Prompt geht ihr Blick zurück auf die Zeit als Küchenchefin in „Le Luxembourg“, auf die Jahre von 2010 bis 2016.
In „Le Luxembourg“ verlief der Betrieb schon ein wenig anders. Dort gab es irgendwie Zyklen – mal war die Brasserie, mal das Restaurant stärker besetzt.
Es fehlt schlichtweg der organisatorische und gestalterische Freiraum.
Von daher hatte sie bei der Eröffnung des eigenen Restaurants auch ganz bewusst am bewährten Prinzip der Zweiteilung festgehalten.
Obwohl wir uns auch damals schon zwischenzeitlich mit dem möglichen Konzept auseinandergesetzt haben, beim Neubau einzig auf ein gastronomisches Restaurant zu setzen. Aber letztlich sind wir dann doch, nach vielerlei Überlegungen und Beratungen, zu dem Entschluss gelangt, diese „alte“ Philosophie beizubehalten – die wir aber jetzt, nach zwei Jahren, leider aufgeben müssen. Denn meiner ersten, selbst gestellten Berufung als Köchin kann ich nicht mehr im gewünschten Maße nachgehen, da mir schlichtweg der organisatorische und gestalterische Freiraum fehlt.
Einen maßgebenden Grund für „diese wirklich nicht absehbare Entwicklung“ sieht sie in der schnellen Bestätigung Ihrer Arbeit durch die beiden namhaften Restaurantführer Gault-Millau und Guide Michelin.
Die Eröffnung eines eigenen Restaurants nach meinen Vorstellungen war vor allem perspektivisch angelegt. Ich wollte auf meinem Weg als Köchin einen entscheidenden Schritt nach vorne kommen. Dass ich für meine Entscheidung, „Le Luxembourg“ aufzugeben und etwas Eigenes auf die Beine zu stellen, so schnell die gastronomische Bestätigung erhalten habe, war nun wirklich nicht absehbar. Aber nur ein halbes Jahr nach Inbetriebnahme von „Quadras, im November 2016, ist am neuen Standort eine neue Zeitrechnung angebrochen, die uns alle in dieser Intensität etwas unerwartet getroffen hat. Und was auch im Planungsstadium vor drei Jahren keineswegs absehbar war.
In der Tat: Vor allem mit der Zuerkennung des Michelin-Sterns (plus zeitgleich die Titel „Entdeckung des Jahres“ respektive „Chefin des Jahres“) ist das Interesse am Restaurant innerhalb weniger Monate beständig gestiegen. Ohne dass es aber in der Brasserie nachgelassen hätte. Im Gegenteil…
Die Auszeichnungen von November 2016 lockten ebenfalls zeitgleich immer mehr Gäste in die Brasserie, was mich wirklich gefreut hat, da es mich ja in meinem ursprünglichen Konzept bestätigte.
Ein Prozess, der nachfolgend jedoch eine ungeahnte Eigendynamik entfaltete und der vor allem in organisatorischer Hinsicht „nicht zu unterschätzende Folgen im Tagesablauf“ nach sich zog und zieht – in Küche wie Service.
Im „Quadras“ in der aktuellen Konstellation beansprucht der – doppelte – organisatorische Aufwand als verantwortliche Küchenchefin für Restaurant und Brasserie einfach zu viel Energie, die mir für meine kreative Weiterentwicklung als Köchin schlichtweg fehlt. Meine erste Berufung und ebenso meine erste Motivation ist nun mal das Kochen, die Entfaltung und Gestaltung in meiner Küche. Und die bleibt bedauerlicherweise zunehmend auf der Strecke.
Zudem erachtet Ricarda Grommes die derzeitigen Abläufe als „wenig optimal“.
Im Grunde möchte ich jede Vorspeise, jeden Dessert, die die Küche in Richtung Brasserie verlassen, gerne selber sehen und eventuell nochmals kurz Hand anlegen. Doch das ist in der Hälfte der Fälle rein zeitlich nicht mehr möglich. Zudem ist dies eine komplexe Herausforderung, die ich meinem wirklich qualifizierten und motivierten Team nicht länger aufbürden möchte.
Apropos Team… Das heißt konkret neben Ricarda Grommes derzeit vier weitere Personen in der Küche sowie drei im Service zuzüglich Kevin Ohles (der zuletzt immer stärker in die täglichen Abläufe mit einstieg).
Um das gewünschte Angebot und vor allem das angestrebte Niveau in beiden Teilen zu halten, müssten wir über zwei, drei Personen mehr verfügen. „Aber erstens gibt der Markt eine solche Qualität gar nicht her. Zweitens ist vor allem unsere Küche hierzu nicht geschaffen. Und drittens ist das gesetzlich vorgegebene Lohngefüge in unserem Land einer vertretbaren Kosten-Nutzen-Rechnung nicht gerade förderlich. Wenn ich einem potenziellen Interessenten, der sich bei mir bewirbt, offen und ehrlich sage, wie viele Stunden er hier durchschnittlich leisten muss, dann winkt er beim ersten Kontakt meist innerlich schon ab. Weshalb ich mich auch im Sinne meines aktuellen Personals zu dieser Entscheidung durchgerungen habe. Denn bei Beibehaltung der zweispurigen Schiene würde der Druck, der derzeit an den vier Tagen teils schon extrem hoch ist, irgendwann unerträglich. Was besonders auch zu Lasten des zwischenmenschlichen Miteinanders ginge, das dann zwangsläufig auf der Strecke bleibt.
Gäste im Restaurant zu drei Viertel von außerhalb der Eifel
Unumstößlicher Fakt ist der Zuspruch, den „Quadras“ in der Zwischenzeit vor allem überregional erfährt.
In der Zwischenzeit reisen drei Viertel der Gäste im Restaurant von außerhalb der Eifel an, die meisten aus der Wallonie, zunehmend mehr aber auch aus Flandern und Deutschland. Als unser Einzugsgebiet würde ich das Dreieck Brüssel-Düsseldorf-Luxemburg definieren. Aber es ist ja nun nicht so, dass ich mich für die Zuerkennung des Michelin-Sterns entschuldigen müsste. Sicher ist die Auszeichnung uns schneller zuteil geworden, als jeder bei „Quadras“ dies erwarten konnte. Und die hieraus resultierende Strahl- und Anziehungskraft hat uns schon richtig überrascht.
Eine Auszeichnung respektive Anerkennung, die Ricarda Grommes überaus schätzt, aber keineswegs als den einzig erstrebenswerten Schlusspunkt ihrer noch recht jungen gastronomisch-kreativen Entwicklung sieht.
Was manche vielleicht etwas vorschnell übersehen… – aber die bisherigen Ereignisse und Ergebnisse werte ich für mich in meiner persönlichen Entwicklung als Köchin nur als eine Etappe. Natürlich freue ich mich wie jede(r) andere auch über jede Auszeichnung, jede Würdigung, jedes Kompliment. Aber das wird niemals in Selbstzufriedenheit umschlagen und kann mich niemals bremsen in meiner Motivation, mich selbst kulinarisch weiterentwickeln. Und zwar aus eigenem künstlerischen Antrieb, ohne dafür gleich auf eine weitere mögliche Auszeichnung zu schielen. Ich bin gerade mal 34 Jahre alt – was für jemand in der Gastronomie im Grunde überhaupt kein Alter ist.
Ein Stern ist ja kein Ziel in sich, sondern vor allem ein Ansporn
Und für diese individuelle Perspektive „brauche ich vor allem auch zeitlichen und mentalen Freiraum“.
Ich will möglichst einen Großteil meiner Energie in diesen Prozess stecken, mich in der Küche ständig hinterfragen, mir neue Herausforderungen suchen. Ein Stern ist ja kein Ziel in sich, sondern neben der Bestätigung der bisherigen Leistung vor allem ein Ansporn, sich auf diesem Niveau weiterhin zu verbessern. Ich bin diesen Weg nicht gegangen, um nun die Hände in den Schoß zu legen. Dafür ist mein Ehrgeiz einfach zu ausgeprägt.
Sie wisse, „dass ich sehr fordernd bin“ – zunächst einmal an die eigene Adresse, dann aber auch gegenüber ihrem Personal, „das diesen Weg aber durchaus gerne und entschlossen mitgeht“.
Die bisher praktizierte Zweiteilung lässt mir einfach zu wenig Spielraum, gastronomisch neue Akzente zu setzen – zumindest in dem Maße und in der Form, die mir vorschweben, gerade auch in meinen kulinarischen Selbstverständnis. Dazu bin ich einfach zu sehr auf Hochwertigkeit und Perfektion bedacht, will die eine Seite genau so wie die andere Seite optimal bedienen. Und das ist in der von mir und meinem Team angestrebten Qualität über kurz oder lang nicht realisierbar. Immerhin haben wir alle in diesen zwei Jahren auch eine wesentliche Erfahrung gemacht: Das Anspruchsdenken auf beiden Seiten ist letztlich gleich hoch, wofür wir aber nicht aufgestellt sind. Vor diesem Hintergrund gab es letztlich für mich nur „entweder oder“.
In diesem Kontext drängt sich unweigerlich die Frage auf, was eine Sterne-Köchin eigentlich bieten muss, was andere nicht bieten.
Der Anspruch an mich selbst lautet: Ich will hochwertige Qualität in immer neuen, variierenden Kreationen auf den Teller bringen. Jede Sterne-Küche hat ihren eigenen Charakter, nur die wenigsten setzen auf potenzielle Trends. Gerade der Wert und der Reiz einer solchen Auszeichnung liegt ja darin, dass sie für die Entwicklung eines eigenen Konzeptes, eines eigenen Stils steht – bewusst auch abseits von modischen Trends. In Zukunft möchte ich vor allem weiter probieren und kreieren, ohne aber jetzt bereits sagen zu können oder zu wollen, wohin der Weg führt. Nur weiß ich, dass ich, wie bereits gesagt, hierzu zwingend mehr Freiraum benötige.
Nur einen Teil der bisherigen Plätze in der Brasserie umnutzen
Übrigens wird Ricarda Grommes keineswegs die Gesamtheit der künftig verfügbaren Plätze in der bisherigen Brasserie für den Restaurantbetrieb in Beschlag nehmen.
Gott bewahre! Damit ständen wir uns ja weiterhin selbst im Wege… Umnutzen fürs Restaurant werden wir ab dem 21. August, also nach dem Sommerurlaub, lediglich einen Teil der bisherigen Plätze (immerhin bis zu 28). Höchstens sechzehn bis achtzehn, auch damit die Einrichtung luftig bleibt. Ich werde das gesamte Ambiente ein wenig aufbrechen, so u.a. nur noch einen Tisch an der Fensterfront platzieren. Auf diese Weise gewinne ich hier Raum, um die Gäste auch in diesem Teil des Restaurants angemessen empfangen zu können. In der Summe bleiben dann zwischen 34 und 38 Plätzen, was auch der Kapazität von Küche und Service entspricht.
Dagegen sieht Ricarda Grommes keinen Handlungsbedarf in Sachen Inneneinrichtung und Möblierung, die ja bis dato in Restaurant und Brasserie unterschiedlich konzipiert sind.
Kevin und ich sehen keinen Grund, hier auch nur das Geringste zu ändern. Es gibt heute zahlreiche gastronomische Restaurants, die sich durch differenziert gestaltete Interieurs auszeichnen. Und auch wir halten beim Interieur an der bisherigen zweigeteilten Note fest, ausgerichtet am individuellen Geschmack der Gäste quer durch die Generationen. Es gibt nun mal jüngere Personen, die fühlen sich gerade auch im Sterne-Restaurant in einem etwas luftigeren und modischeren Flair wohler als in einem eher klassischen und behaglichen Dekor. Und da können wir ab dem Spätsommer August eben beide gestalterische Optionen bieten. Zudem ist ja alles neu und hochwertig und entspricht modernen innenarchitektonischen Standards. Jedenfalls erachte ich unser Ambiente in beiden Räumen als überaus angenehm, frisch und leger, das gerade auch einem Sterne-Niveau rundum entspricht.
Vor allem auch möchte Ricarda Grommes im Zuge der Neu- respektive Umorientierung die Gelegenheit nutzen, um nach zwei Jahren Quadras einfach auch nochmals ihr Selbstverständnis zu definieren.
Ich sehe meine erste Aufgabe in meiner Berufung als Gastronomin, weniger als Gastwirtin. Und so wünsche ich mir möglichst einen Gast, der auf seinem Teller bereits meine ganze kreative Motivation und kulinarische Philosophie erkennt und meine selbst definierte Rolle respektiert. Ich bin einfach der, der ich bin – und meinen Platz sehe ich am Herd. Jedoch bin ich absolut nicht menschenscheu, nur liegt meine erste Herausforderung nun mal in meiner Küche. Und diese Herausforderung ist mit dem letzten Service keineswegs beendet. Nachdem ich meinen Arbeitsplatz geputzt habe, stehen bereits erste Vorbereitungen für den nächsten Tag an.
Ich sehe meine erste Aufgabe in meiner Berufung als Gastronomin
Zudem weiß sie ihre Gäste bei ihrem Servicepersonal „in besten Händen“.
Wir schulen unser äußerst sachkundiges Servicepersonal stets so nachdrücklich, dass es unseren Gästen vom Empfang bis zum Abschied einen angenehmen, perfekten Aufenthalt garantiert. Hinzu kommt, dass mein Mann Kevin ab Sommer noch stärker in den Service einsteigt. In der Zwischenzeit absolviert er einen Fernkurs als Sommelier in Köln, ergänzt um die praktische Fortbildung hier in Ostbelgien (ebenso wie übrigens Kenneth Dhur, seit mittlerweile eineinhalb Jahren im Service).
Inzwischen ist Ricarda Grommes „einfach nur froh, dass diese schwierige, da weitreichende Entscheidung gefallen und auch kommuniziert ist – intern wie extern“. Besonders nachdem sie zuletzt auch von der Frage getrieben wurde, was nun auf sie zukomme. Gerade in der öffentlichen Wahrnehmung… Nur:
Viel schlimmer wäre es mit Sicherheit, wenn ich den einen oder anderen Teil hätte schließen müssen, weil die Nachfrage nicht gegeben ist. Oder, als schlimmstes Szenario, wenn einer von uns beiden irgendwann ausgepowert wäre. Denn im gleichen straffen Rhythmus wie zuletzt sehe ich uns nicht weitermachen.
Hierbei leugnet sie keineswegs, dass ihre Rolle als Mutter in den gesamten Überlegungen durchaus eine Rolle gespielt hat…
Jedoch keineswegs die alles entscheidende. Dass ich als Mutter mit einer Tochter von zehn Monaten bei solch komplexen und schwierigen Überlegungen und Entscheidungen aber auch einen neuen, familiäreren Blickwinkel mit einbringe, liegt auf der Hand. Gerade auch im Blick zurück auf die anfangs ebenfalls viel diskutierte Einführung der Vier-Tage-Woche mit der Schließung am Sonntag.
Jedenfalls ist Ricarda Grommes heute mit sich im Reinen und steht zu ihrer Entscheidung, „selbst wenn sie mit Sicherheit nicht allen gefallen wird“.
Ich weiß für mich und mit Blick auf meine unmittelbaren Anforderungen und Verpflichtungen, dass dieser Weg der richtige ist. Auch wenn wir alle uns nach dem Sommerurlaub erst einmal auf die veränderte Situation einstellen müssen. Vor allem aber weiß ich auch, dass meine Familie hinter mir steht und meine Entscheidungen, die meist sehr gradlinig sind, voll und ganz mitträgt.
Jedenfalls würde es sie freuen, „wenn die breite Öffentlichkeit für diese Entscheidung ein wenig Verständnis aufbringen würde“.
Ich betone nochmals mit Nachdruck, dass vor drei, vier Jahren, als Kevin und ich die Planungen für ein eigenes gastronomisches Restaurant angeschoben haben, niemand ahnen konnte, wie dieser Prozess verlaufen würde. Klar hatten wir unsere Vorstellungen und Ziele. Und die Ausgangsposition zum Start vor genau zwei Jahren war für uns wie für unsere Kundschaft noch eine völlig andere. Die letzten eineinhalb Jahre haben aber besonders mich vor ständig neue Entscheidungen gestellt. Vor denen ich mich, in enger Konzertierung mit meinem Mann, einfach nicht drücken kann. Stets nach bestem Ermessen für uns und unseren Betrieb.