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Vincent Moissonnier: einst Kellner in Eynatten, heute Top-Gastronom in Köln

Ein Stück Frankreich in der Domstadt: Das finden die Genießer seit April 1987 in der Krefelder Straße. In einer ehemaligen Bäckerei, die später einen türkischen Spielsalon beherbergte, ist seit über drei Jahrzehnten „Le Moissonnier“ der Inbegriff für die Kochkunst und das Savoir-vivre Frankreichs.

Bruder kochte im Hotel Bosten und heiratete Eupenerin.

Vincent Moissonnier, der 1960 in Epinal geboren wurde und wegen der pädagogischen Tätigkeit seines Vaters zum Teil in Burkina Faso aufwuchs, zog es bereits früh in die Gastronomie. Die Hotelfachschule in Straßburg brach er frühzeitig ab: „Ich bin sang- und klanglos gescheitert. Ich war in dieser Zeit einfach ein Lümmel. Der Studiendirektor empfahl meinem Vater, der ebenfalls Studiendirektor war, dass ich mir einen anderen Beruf aussuchen solle. Es war wohl nicht die beste Empfehlung“, erzählt der redegewandte Franzose mit einem nach wie vor charmanten französischen Akzent. Er kontaktierte seinen Bruder Pierre, um die „Flucht“ von zu Hause zu planen. Dieser arbeitete als Küchenchef im Hotel Bosten in der Eupener Unterstadt und besorgte ihm eine Stelle im Restaurant „Alt Wien“ an der Aachener Straße in Eynatten, dort wo heute das Restaurant Casino angesiedelt ist.

Toni Elsner hatte das „Alt Wien“ 1979 eröffnet und bot dort die österreichische Küche seiner Heimat und spielte jeden Abend auf seiner Violine. „Alle waren branchenfremd. In der Küche arbeitete eine Hausfrau. Man stellte mich als Kellner ein, und vor allem am Wochenende konnte ich jede Menge Schnitzel und Ragouts schleppen sowie Weine aus dem Supermarkt servieren“, erinnert sich der heutige Spitzengastronom lachend an seine ersten Schritte im Berufsleben. Sein Bruder heiratete mit Josée Plumanns eine Eupenerin, mit der er 1984 in Rösrath die Klostermühle eröffnete, die bis zum heutigen Tag von ihr geleitet wird.

Vincent (Fünfter von rechts) und Liliane Moissonnier (ganz rechts) eröffneten 1987 das „Moissonnier“ im Kölner Agnesviertel. 35 Jahre später ist das Lokal weit über die Grenzen der Domstadt bekannt. Seine erste Arbeitsstelle hatte der Franzose unterdessen 1980 im Eynattener Restaurant „Alt Wien“.

Und wie hat er die Ostbelgier als Gäste kennengelernt? „Es war eine schöne Zeit. Ich erinnere mich vor allem gerne an die unglaublich joviale Stimmung, an offene Gespräche. Und bis zum heutigen Tag habe ich kein trinkfreudigeres Volk kennengelernt, sei es in Sachen Wein oder Bier. Das Eupener Bier war wie hier in Köln das Kölsch ein Grundnahrungsmittel.“

Auch heute hat er noch ein Faible für belgische und luxemburgische Kundschaft. „Sie gehören zu meinen besten Kunden, weil sie unfassbar gerne essen und meist nur hochwertige Weine, die echten Granaten, trinken wollen. Für mich sind die Belgier die größten Burgundertrinker in Europa“, lacht der begnadete Anekdotenerzähler.

Im Restaurant Maitre in Berlin und im Restaurant Franz Keller junior in Köln holte er sich dann vor dem Sprung in die Selbstständigkeit im Alter von 27 Jahren das nötige Rüstzeug. Zwei Jahre wurde die Ruine im Norden der Stadt renoviert. Ein Kirchenmaler sanierte die original Jugendstil-Ornamente. Das Ziel war nicht von Beginn an die Spitzengastronomie. Es gab viele Weine im Ausschank und einige Kleinigkeiten zu essen. „Wir waren eher eine Fernfahrerkneipe“, scherzt Moissonnier. Das Konzept änderte sich, als der Koch Eric Menchon sechs Monate später hinzustieß: „Wir hatten keine Ambitionen und wollten einfach nur gut arbeiten. Unsere Stammgäste mussten in dieser Phase so leidensfähig sein wie die Fans der AS Eupen in dieser Saison“, merkt Moissonnier an, der mit seinem Landsmann einen kongenialen Partner gefunden hatte. Während Menchon das Zepter in der Küche in der Hand hält, kann Moissonnier zusammen mit seiner Frau die Stärke als Gastgeber ausspielen. Über 20 Personen sind es aktuell, die ihre Brötchen hier verdienen.

In der Krefelder Straße in Köln lässt sich schlemmen wie Gott in Frankreich. |Foto: Stefan Worring

Die Küche des Hauses ist sehr aromaintensiv und von den Kritikern der Hochküche längst wertgeschätzt. „Wir haben nie auf Auszeichnungen hingearbeitet, doch sind sie sehr ehrenvoll“, betont der Franzose, dessen Haus zwei Michelin-Sterne zieren und das zuletzt von den Gault&Millau-Inspektoren 18 von 20 möglichen Punkten erhielt. Seit dem Verlust des dritten Sterns für das „Vendôme“ in Bergisch-Gladbach gibt es in Nordrhein-Westfalen kein einziges Haus mehr mit der Michelin-Höchstnote von drei Sternen. Vier Lokale in NRW zählen zwei. Und wie wäre es mit einem dritten Stern für das „Moissonnier“? „Wir sind froh, wenn wir das aktuelle Niveau halten. Wichtiger ist für die jungen Kollegen und uns, dass wir die aktuellen Probleme angehen, um weiter wirtschaftlich erfolgreich zu sein.“ Eine große Herausforderung ist dabei der Fachkräftemangel, den der Gastro-Unternehmer aber hausgemacht sieht: „Es wurde schlecht bezahlt, nur wenig Urlaub gestattet und unzählige Überstunden wurden angehäuft. Dadurch wurden Familien vernichtet sowie Alkoholiker und Drogensüchtige herangezogen“, legt der Gastronom den Finger in die Wunde. Daher werden in seinem Betrieb die Arbeitszeiten bei einer Fünf-Tage-Woche präzise eingehalten.

Auch die Pandemiemonate hat der Unternehmer finanziell ansprechend überstanden. „Wir haben wie verrückt gearbeitet und an den Wochenenden über 300 Menüs quer durch ganz Deutschland geschickt.“ Seit Anfang 2021 hat Vincent Moissonnier auch ein eigenes Format in der ARD, wo er gemeinsam mit Stammgast Thomas Hackenberg bei „Live nach Neun“ aufkocht. „Dabei geht es aber nicht um die Spitzenküche, sondern um Gerichte, die ich für meine Familie koche“, so der 62-Jährige. Meistens sind es besondere Gerichte, die sich im Nullkommanichts auf die Teller zaubern lassen.

Die Küche in der Krefelder Straße zeichnet sich unterdessen dadurch aus, dass die einzelnen Gänge meist auf drei Tellern den Tisch erreichen. Zwar wirkt die Produktauswahl ausgesprochen klassisch, doch brillieren die Zubereitungen mit originellen Ideen und einem eigenwilligen Charakter, was der Harmonie aber keinen Abbruch tut.

Angenehm unangestrengte Atmosphäre im Bistro-Stil

Die Atmosphäre in der Genussoase ist angenehm unangestrengt: „Unsere Klientel ist jeden Tag anders und beginnt beim Studenten, der sich etwas Besonderes gönnen möchte, und geht bis zum Top-Manager“, sagt Moissonnier. So gibt es jeden Mittag in der Woche einen Tagesteller für 31 Euro. Das Vier-Gang-Menü ist unter der Woche, mittags und abends, mit 120 Euro veranschlagt und lässt sich bei Bedarf um Austern, Foie Gras und/oder Rohmilchkäse erweitern. Die Weinauswahl ist, auch aufgrund des angegliederten Weinhandels, üppig. Und wie lange möchte er sich noch die 14-Stunden-Tage antun, die sein Job ihm abverlangen? „Mein Wunsch ist es, auf dem Höhepunkt aufzuhören. Ich möchte nicht den richtigen Zeitpunkt verpassen, um loszulassen.“ (hegen/Foto: Dr. Henrik Forsat)

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