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Michelins Tester geraten bei Sterne-Vergabe unter Druck

So hatten sich die gefürchteten Restaurantkritiker vom Guide Michelin ihre diesjährige Sterne-Vergabe wohl nicht vorgestellt. Zunächst erschütterte der Tod des legendären Gastronomiepapstes Paul Bocuse zu Jahresbeginn die kleine und feine Welt der französischen Spitzengastronomie. Und vor wenigen Tagen erlaubte Michelin nach langem Überlegen dem südfranzösischen „Küchenrebellen“ Sébastien Bras, auf seine drei Sterne zu verzichten. Viele fragen sich nun, ob Bras ein Einzelfall bleiben wird oder ob es Nachahmer gibt.

Am Montag (5.2.) wird der traditionsreiche „guide rouge“ in Boulogne-Billancourt bei Paris seine Ausgabe für 2018 vorstellen. Um die Spannung anzuheizen, will Michelin darauf verzichten, die „Chefs“ vorher anzurufen, um sie über ihren Aufstieg in der Bewertung zu informieren. Michael Ellis (Foto), Chef der Feinschmecker-Bibel, verriet dem Magazin „Express“, dass nun viele zur Präsentation eingeladen und einige dann dann live ausgezeichnet werden. Macht das Köche nicht unglücklich, in die Hauptstadt zu reisen, auf einen Stern zu hoffen und dann möglicherweise leer auszugehen? „Einige haben eine Auszeichnung, andere nicht“, antwortet Ellis lakonisch. „Es gibt immer Glückliche und Enttäuschte.“

Vor der sorgfältig inszenierten Michelin-Show steigt die Nervosität in der Branche. „Wer bekommt einen dritten Stern?“, lautet eine häufig gestellte Frage. Die Internet-Gastronomieseite „Atabula“ benannte schon einmal 20 Starköche, die mit ihrem Häusern potenziell in die Topliga aufsteigen könnten. Unter den Anwärtern für die kulinarische Champions League sind demnach der Argentinier Mauro Colagreco vom „Mirazur“ in Menton an der Côte d’Azur, Nicolas Sale vom „Table de l’Espadon“ im vornehmen Ritz-Hotel in Paris oder Jean-Georges Klein von der „Villa Réné Lalique“ aus Wingen sur Moder im Elsass. Frauen sind laut „Atabula“ nicht unter den Anwärtern. In die exklusive Drei-Sterne-Liga schaffte es bisher nur eine Spitzenköchin: Anne-Sophie Pic aus dem südfranzösischen Valence.

„Eine einzigartige Küche. Ist eine Reise wert“

Bei der Vergabe der Bestnote war im vergangenen Jahr nur der umtriebige Gastronomie-Unternehmer Yannick Alléno zum Zuge gekommen – mit dem „1947“ im Hotel Cheval Blanc im mondänen Wintersportort Courchevel. Alléno führt damit in seinem Heimatland bereits zwei Restaurants, die drei Sterne tragen. Im aktuellen Michelin-Führer für Frankreich und Monaco sind bisher zusammen 27 Gourmettempel mit der Spitzennote ausgezeichnet. Spekulationen vor der Vergabe zeigen, dass der höchste Küchen-Orden begehrt bleibt – ungeachtet des spektakulären Paukenschlags von Sébastien Bras, der sich mit seinem Sterne-Verzicht dem Dauer-Druck in seinem Restaurant „Le Suquet“ in Laguiole entziehen wollte. Gerade in Paris buhlen viele Spitzenlokale auf engem Raum um die Gunst zahlungskräftiger Kunden, vor allem aus dem Ausland. „Bras ist einer der wenigen, der sich das leisten kann“, resümiert ein Brancheninsider, der ungenannt bleiben will.

„Eine einzigartige Küche. Ist eine Reise wert“, lautet das klassische Michelin-Motto für die Bestnote. Der Ausstieg von Bras aus der Michelin-Welt dürfte den Druck auf den Restaurantführer steigern, bei der Bewertung offener vorzugehen als bisher, meinen Insider. Ellis räumt ein, dass früher wenig zwischen den Köchen und dem Guide gesprochen wurde. Die Zeiten hätten sich jedoch geändert, inzwischen sei Transparenz angesagt: «Es ist wichtig, dass die „Chefs» und die Öffentlichkeit unsere Kriterien verstehen“, meint er. Egal, wie das Michelin-Verdikt ausfallen wird: Staatschef Emmanuel Macron dürfte es mit Interesse verfolgen. Der 40-Jährige erklärte im vergangenen Herbst vor rund 180 Spitzenköchen Ernährung schlicht zur Staatsangelegenheit. Spitzenküche ist für den Ex-Bankier ein Mittel der Diplomatie, Élysée-Chefkoch Guillaume Gomez begleitete ihn bereits auf Auslandsreisen.

Erst unlängst luden Macron und seine Frau Brigitte den argentischen Präsidenten Mauricio Macri und dessen Frau Juliana Awada zum Dinner beim Drei-Sterne-„Chef“ Guy Savoy am linken Pariser Seine-Ufer ein. Savoy bedankte sich bei Macron überschwänglich dafür, die Gastronomie zu verteidigen. Diese sei „Bestandteil der französischen Kultur“, resümierte Savoy. (dpa/Foto: Britta Pedersen/dpa)

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