Auf ihrem Weg nach oben musste Spaniens Starköchin María Marte viel erdulden: Diskriminierung und Vorurteile schlugen der Küchenchefin aus der Dominikanischen Republik entgegen. Doch ihre Zähigkeit wurde mit zwei Michelin-Sternen belohnt.
Es ist noch früh im Nobelrestaurant El Club Allard in Madrid. Putzkräfte schieben brummende Staubsauger zwischen den Tischen des Zwei-Sterne-Restaurants hin und her. Verantwortlich für diese Sterne ist Küchenchefin María Marte. Doch vor 14 Jahren, als sie im Club Allard zu arbeiten begann, war sie selbst eine dieser Putzfrauen: eine Einwandererin aus der Dominikanischen Republik, die sich irgendwie durchschlug.
„Ich habe so viele Dinge in einer so kurzen Zeit erlebt. Ich verarbeite das immer noch“, sagt Marte, während sie mit ihrem Team von 15 Köchen die Gerichte für den Tag vorbereitet. „Ich habe gearbeitet und gekämpft, den Erfolg habe ich noch nicht verdaut“, sagt die Starköchin. Ihre Erfolgsstory ist mittlerweile in ganz Spanien bekannt. In ihrer kürzlich erschienenen Autobiografie „Soñar, luchar, cocinar“ (dt: Träumen, kämpfen, kochen) erzählt die 1976 geborene Köchin, wie sie es an die Spitze geschafft hat – und verrät einige Rezepte.
„Der Erfolg sind die Früchte dessen, was ich vor Jahren gesät habe“, sagt Marte und beugt sich über einen Topf. Die Uniform ist blütenweiß, das Haar streng im Nacken zusammengebunden. Ihr Weg war hart: Als Kind in der Dominikanischen Republik lernte die von klein auf kochbegeisterte María von ihrer Mutter und arbeitete in einem Restaurant. Mit 16 wurde sie schwanger, später bekam sie noch Zwillinge von einem anderen Partner. Nach einer Reihe von Aushilfsjobs ging sie 2003 nach Madrid und begann, im Club Allard abzuwaschen und zu putzen. Dort sei sie nur „die Schwarze“ gewesen, erzählt sie. Als sie sagte, sie wolle kochen, wurde sie ausgelacht.
Doch irgendwann gab ihr der Küchenchef eine Stelle als Assistentin. Sie habe Verachtung und Rassismus erfahren, und manche Kollegen hätten ihr Steine in den Weg gelegt, erinnert sie sich ohne Groll an diese Jahre. «Ich glaube, ich halte vielen Leuten einen Spiegel vor – sie fragen sich: „Wenn María das schaffen konnte, warum nicht ich?».“ Rassismus habe es schon immer gegeben, meint sie.
Marte arbeitete sich zur rechten Hand von Küchenchef Diego Guerrero hoch. Dieser schätzte sie zwar, erzählt sie, meinte aber, sie habe nicht das Zeug, es allein zu schaffen. Doch als er 2013 das Restaurant verließ, übernahm Marte trotz Gegenwind und Zweifeln mancher die Küche. Schritt für Schritt baute sie das Menü um, die Gäste kamen weiter, die Kritiker waren zufrieden.
„Die Gäste helfen uns, besser zu werden.“
Ihre Fusion aus mediterraner und karibischer Küche hat der französische Restaurantführer Michelin für 2017 wieder mit zwei Sternen belohnt. Das Restaurant hatte 2011 erstmals zwei Sterne erhalten, die Marte bis jetzt verteidigt hat. Unter anderem begeistert sie mit Kreationen wie „Hibiskus“ – einem Dessert mit Hibiskusblüte, Kartoffelstärke, Himbeerzucker und Pisco Sour. Oder den Ravioli mit Erbsen und iberischem Schwein.
Der Restaurantführer lobt die kreative Küche „mit ausgezeichneten Geschmackskombinationen, hervorragend zubereitet und originell serviert.“ Die „subtilen und mitunter außergewöhnlichen Kreationen“ würden von der talentierten Küchenchefin und ihrem Team trefflich in Szene gesetzt, schreiben die Tester. Marte genießt ihren Erfolg: «Ich freue mich, wenn mich Leute auf der Straße ansprechen und sagen: „Ich will so werden wie Sie.» Das ist toll.“
Nächstes Ziel sei der dritte Michelin-Stern, sagt sie. In Madrid gibt es nur ein Restaurant mit drei Sternen, in ganz Spanien sind es neun. Dafür wolle sie in Madrid bleiben, auch wenn in ihrem Heimatland gerade eine sehr spannende Revolution in den Küchen stattfinde. „Ich glaube, für mich gibt es hier im Club Allard noch viel zu tun.“ Der Club sei seit 14 Jahren Teil ihres Lebens. „Ich schulde ihm viel, ich habe eine moralische und professionelle Verpflichtung.“
Während ein verführerischer Duft beginnt, sich in der Restaurantküche auszubreiten, spricht Marte über ihr größtes Defizit: Schlaf. 16-Stunden-Tage sind keine Ausnahme, trotzdem nimmt sie sich immer Zeit, die Gäste zu begrüßen. Das Nobelrestaurant ist für sie wie Theater, sagt die Köchin. „Wir müssen alle essen, aber das hier ist ein gastronomisches Erlebnis. Es ist eine Show, daheim isst niemand 14 Gänge … Jedes Gericht ist eine Erfahrung. Die Menschen sitzen und genießen.“ Als Küchenchefin sei man die Hauptdarstellerin, erklärt sie. „Die Gäste helfen uns, besser zu werden.“ (dpa/Titelfoto: Laura del Río/dpa)