Gourmet

Normandie: Die schönsten Muscheln der Welt

Zu Hunderten türmen sie sich auf, in Form und Farbe alle ähnlich. Und auch in ihrer Größe von mindestens elf Zentimetern. In Port-en-Bessin-Huppain liegen die Jakobsmuscheln in der Fischauktionshalle ab Oktober auf jedem Verkaufstisch aus.

Der pittoreske Ort an der Ärmelkanal-Küste ist einer der wichtigsten Häfen für den Fang der Großen Pilgermuschel (Pecten maximus).

Die Halle liegt am Ende des Hafens und ist nur Berufsfischern und Händlern zugänglich, von wenigen Ausnahmen abgesehen. Zu diesen gehört Le Gout du Large («Der Geschmack des Meeres»), das Jakobsmuschelfest, das in Port-en-Bessin seit 2004 alljährlich stattfindet. Gewöhnlich Anfang November.

Zwei Tage lang dauert die Feier, bei der sich im Fischerhafen alles um das Weichtier dreht – von Kochkursen über Kostproben leckerer Jakobsmuschel-Rezepte bis zur Besichtigung der Boote, mit denen die Schalentiere gefangen werden. Coquilliers heißen sie, abgleitet von dem französischen Wort coquille (Schale oder Gehäuse).

Fischen ist Leidenschaft

Einen legitimeren Ort als Port-en-Bessin könne es für das Fest nicht geben, sagt Jérôme Vicquelin. Er ist Fischer wie seine Eltern, Großeltern und Urgroßeltern. Und stolz darauf. Fischen sei kein Beruf, sondern eine Leidenschaft. Seit über 30 Jahren fährt er zur See. Dafür wurde der Endvierziger 2019 mit der Rittermedaille des Ordens für maritime Verdienste ausgezeichnet.

Der Fischfang ist der wichtigste Wirtschaftszweig der Stadt. Mehr als 8000 Tonnen Fisch und Schalentiere wurden im Jahr 2020 gefangen, darunter über 3.000 Tonnen Jakobsmuscheln.

Harte Arbeit: Fischer eines Coquilliers im Hafen von Port-en-Bessin bringen Jakobsmuscheln an Land. Foto: Sabine Glaubitz/dpa-tmn

Als beste Fanggebiete der Großen Pilgermuschel gelten neben Frankreich auch Irland und Schottland. Gut zwei Drittel der französischen Weichtiere werden an der Küste der Normandie gefischt, von Dieppe über Fécamp, Port-en-Bessin, Grandcamp-Maisy und Saint-Vaast-la-Hougue bis Granville.

Der Schatz am Meeresboden

Die Jakobsmuschel wird mit einer Dredge gefischt, einer Art großer Rechen. Mit seinen Metallzähnen fegt er den Meeresboden durch und nimmt die Muscheln auf, die dann von dem dahinter befestigten Netz gefangen werden. Mehr als 60 000 Tonnen der Schalentiere sollen auf dem Grund des Ärmelkanals ruhen, schätzt Vicquelin.

Seit Jahren schon wird der Fang streng kontrolliert. Wie Vicquelin erklärt, darf nur zwischen Anfang Oktober und Mitte Mai gefischt werden, um die Reproduktion und Erhaltung der Ressourcen zu garantieren. Und selbst während der Saison dürfe nur zwei Tage die Woche für eine Dreiviertelstunde täglich gefischt werden.

Die Jakobsmuscheln der Seine-Bucht gelten als die schönsten der Normandie. Für Dimitri Rogoff, Präsident des regionalen Fischereiausschusses, sind sie sogar die schönsten der Welt. Und für viele Gourmet-Reisende sind sie die allerbesten – ob gebraten, gedünstet oder flambiert.

Wegen ihres feinen, nussigen, koralligen und leicht süßlichen Geschmacks werde die Muschel aus der Bucht sehr geschätzt, sagt ein Verkäufer, der seit Jahren am Muschelfest teilnimmt. Eine seiner Spezialitäten: «Saint-Jacques poêlées et son crémeux de lentilles», in der Pfanne frittierte Pecten auf Linsencreme.

Besuch bei den Austernbänken

Etwa 23 Kilometer weiter auf der D514 liegt Grandcamp-Maisy. Von hier aus fahren regelmäßig Touristenboote zur Landspitze Pointe du Hoc an der Steilküste der Normandie in der Nähe von Omaha Beach und Utah Beach. Dort landeten im Zweiten Weltkrieg am 6. Juni 1944 die Westalliierten mit ihren Truppen an.

Nur einen Kilometer vom Hafen entfernt liegen Austernbänke, soweit das Auge reicht. Auf 170 Hektar werden hier Isigny-Austern gezüchtet. Eine Zahl, die Eric Rotrou mit einem beliebten Vergleich greifbarer machen möchte: Das entspreche 340 Fußballplätzen.

Rotrou arbeitet seit mehr als 25 Jahren als Führer für das Fremdenverkehrsbüro von Isigny-Omaha. «Als ich hier ankam, wusste ich noch nicht einmal, wie man eine Auster öffnet, die Austernzüchter haben mir alles beigebracht», erzählt er bei einem Rundgang.

Die Gezeiten helfen

Auf etwa 50 Zentimeter hohen Eisentischen wachsen die Austern in grobmaschigen Säcken. Diese Methode heißt Tischkultivierung. Sie sei nur an flachen Küsten mit einer ausreichend breiten Gezeitenzone möglich, erklärt Rotrou. Bei Flut seien die Austern im Wasser, bei Ebbe im Trockenen. Die am normannischen Küstenstrich vorherrschenden Tiden sind die stärksten in ganz Europa.

Traktoren fahren durch die langen Eisentischreihen hindurch. Männer drehen die Säcke um. «Die müssen regelmäßig gewendet und gerüttelt werden, damit sie nicht zusammenwachsen», erklärt Rotrou.

Und umgelagert werden. «Denn wenn die Austern größer werden, kommen sie in großmaschigere Netztaschen.» Eine arbeitsaufwendige Methode, die die Austern teuer machen. Aber auch besonders schmackhaft.

In rund drei Jahren wachsen sie zu vollfleischigen Schlürfaustern heran – mit diesem weichen, nussigen Aroma, das Einheimische wie auswärtige Besucher so schätzen. (dpa/Foto: Sabine Glaubitz/dpa-tmn)

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