Gourmet

Eistradition am Eupener Marktplatz

Egidio Panciera betreibt seit zwölf Jahren die Eisdiele am Eupener Marktplatz. Die Strahlkraft geht aber nicht nur wegen seines bekannten Spaghettieises über die Grenzen der Weserstadt hinaus. Der Italiener, der vor 64 Jahren in Stolberg das Licht der Welt erblickte, ist bei der Eisherstellung ein Traditionalist mit hohem Qualitätsanspruch. Wir besuchten ihn und ließen uns die Kunst des Eismachens erklären.

Die Temperaturen sollen in den nächsten Tagen spürbar ansteigen. Wie bereitet man sich als Eismacher darauf vor?
Wenn man alles, so wie wir, selbst herstellt, braucht man sich kaum vorzubereiten. Wir bestellen einfach mehr Milch und mehr Eier. Ein freundlicher Landwirt bringt uns die Frischmilch bei Bedarf zwei Mal pro Tag in Kannen. Bei uns wird diese dann pasteurisiert. Das Pasteurisieren ist ein Handwerk für sich. Diesen Geschmack bekommt mit einer fertiggekauften Milch einfach nicht hin. Wir produzieren jeden Tag, was nötig ist.  Wir arbeiten daher mit mehreren Eismaschinen. Die Großen schaffen 10 Liter in 15 Minuten und werden vor allem an den heißen Tagen benötigt, wenn wir viel Vanilleeis brauchen. Die kleineren Geräte schaffen vier Liter. Hier in Belgien gibt es übrigens eine super Sahne, die fetter und leckerer ist. Sie kostet auch doppelt so viel wie die Sahne in Deutschland, aber die Kunden schmecken und schätzen das.

Von den Volumen her benötigen Sie also am meisten Vanilleeis.
Ganz klar. Wir haben einen Vanilleverbrauch, der sehr hoch ist, was auch mit unserem besonders starken Verkauf von Spaghettieis zu tun hat. Wir brauchen mehr Vanille als alle anderen Sorten zusammen, was im Durchschnitt um die 15 sind. Viele Kollegen haben über 30 Sorten im Angebot. Das möchte ich nicht, weil manche Sorten einfach nicht in ausreichendem Maße verkauft werden. Wir setzen auf klassische Fruchtsorten wie Zitrone, Erdbeere, Himbeere, Heidelbeere oder Banane. Viele Leute reagieren bei uns suspekt auf neue Sorten. Was mich enttäuscht ist, dass viele Zubereitungen inzwischen von bekannten Schokoriegeln inspiriert werden. Die Kinder wollen das. Es gibt da auch so ein kräftig, unnatürliches blaues Eis, nachdem immer wieder gefragt wird. Ich schwöre, dass Sie dieses niemals bei mir bekommen werden.

Was macht in Ihren Augen denn ein gutes Eis aus?
Konsistenz und eine natürliche Farbe spielen eine Rolle. Es gibt ja genügend Farben in der Natur, die man gebrauchen kann. Wir verzichten gänzlich auf geschmacksverstärkende Stoffe. Bei uns ist in der Vanille noch echte Vanille, auch wenn die Preise deutlich gestiegen sind. Wir beziehen sie von einem Händler in Paris und zahlen über 650 Euro das Kilogramm. Vor nicht allzu langer Zeit waren es noch 500 Euro. Und ein Tipp: Werfen Sie im Geschäft ein Blick aufs Gewicht! Ein Liter Eis wiegt bei mir auch ein Kilo. Im Supermarkt ist ein Liter häufig nur ein halbes Kilogramm. Der Rest ist Luft, wodurch das Eis geschmeidiger und die Temperatur auf der Zunge angenehmer ist. Und denken Sie daran: Geschmacksveränderungen sind ganz normal, weil das Grundprodukt sich im Lauf eines Jahres ja auch verändern kann.

Egidio Panciera demonstriert den korrekten Umgang mit einer Vanilleschote. Foto: Heinz Gensterblum

Egidio Panciera demonstriert in seinem Lokal den korrekten Umgang mit einer Vanilleschote. Foto: Heinz Gensterblum

Sie fragen 90 Cent für eine Kugel Euro. Ist die Wertschätzung für Eis hier nicht so groß?
Der Belgier gibt eigentlich viel Geld für das Essen aus, und wir sind auch sehr zufrieden mit unserem Absatz. Wir sind in einer Kleinstadt und arbeiten viel mit Kindern. Diese gönnen sich gerne auch etwas mehr. Deshalb versuche ich bei einem Preis zu bleiben, zu dem jeder sich Eis leisten kann. Ein Kugelpreis von einem Euro wäre in meinen Augen psychologisch keine gute Sache. Hier kaufen nur Erwachsene, die ihr Gewicht halten wollen, eine Kugel. Alle anderen zwei oder drei. Bei uns sind die großen Klassiker immer angesagt. Die Sorten, die ein wenig aus der Norm sind, gehen einfach nicht.

Wo haben Sie  das Handwerk gelernt?
Bei meinem Vater im Alter von 14 oder 15 Jahren. Das war in Stolberg. Damals wurde alles noch mit der Hand gemacht. 50 Jahre kenne ich nun den Beruf. Mir muss keiner sagen, dass er am Gardasee, in Paris oder in Knokke ein doch so besseres Eis gegessen hat. Dort schmeckt es, weil es teurer ist. Dort gibt es häufig dicke Kugeln mit viel Luft drin. Ich bin ganz klar ein Purist. Daher bin ich auch zurückhaltend, was die Früchtedekoration angeht. Ich bin ja kein Obstladen. Am liebsten verkaufe ich ganz einfach Eiskugeln.

Was sind Geschmackskombinationen, die sie empfehlen? Von welchen raten Sie ab?
Man sollt immer etwas Süßes mit etwas Saurem verbinden. Schwarze Schokolade passt immer gut mit Cassis, Zitrone oder Passionsfrucht. Vanille ist die Königssorte, weil sie mit allem funktioniert. Ein Handwerk ist, die Geschmäcker nicht zu stark zu machen. Man darf es beim Zitroneneis nicht mit der Zitrone übertreiben, weil es dann zu nichts mehr passt.

Stimmt es, dass Spaghettieis eine deutsche Erfindung ist?
Ja, das Rezept wird Dario Fontanella, der ein Freund von mir ist, aus Mannheim zugeschrieben. Der Erfinder ist also ein Italiener, das Geburtsland aber Deutschland… Ich glaube nicht, dass es viele Eisläden gibt, die so viel Spaghettieis wie wir verkaufen. Wir machen es mit einer Erdbeersauce mit Zucker und Zitrone. Unter das Vanilleeis legen wir Sahne. Und dann kommt weiße Schokolade darauf.

Es gibt Eisdielen, die setzen statt auf Früchte inzwischen häufig auf Gemüse. Wäre das etwas für Sie?
Das ist eine schöne Sache. Wir haben in diesen Tagen ein Rhabarbereis. Wir haben auch schon Sachen mit Salbei und Rosmarin ausprobiert. Da geht nur die Kugeln einzeln als Kurisiosität, und die Kunden denken, dass du ein guter Eismacher bist, weil du solche Sachen verwendest. Ich habe mal ein Sorbet aus Speck gemacht, das auf einem Apfelmusbett lag. In Südtirol im Hotel war das lecker, aber hier geht so etwas nicht.

Kann man zu Hause gutes Eis selbst erzeugen?
Ja, aber nur mit einer anderen Konsistenz.  Man benötigt Maschinen, die richtig Kraft haben, und eine Kühlung, die sehr stark ist. Mit guten Produkten kann man aber auch zu Hause ein gutes Ergebnis erzielen. Damit steht und fällt alles. Ein wenig Handwerk kommt natürlich auch noch dazu. Ich bin beispielsweise nicht für viel Sahne im Eis.  In ein gutes Eis gehören für mich lediglich Milch, Zucker, Eier und der Geschmack.

Wie viel Eis essen Sie?
Ich esse jeden Tag sechs Kugeln mit drei Portionen Sahne und karamelisiertem Zucker. Mein Mittagsessen ist immer das Eis und gerne probiere ich auch, was die Kollegen so machen. (hegen/Titelfoto: David Hagemann)

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