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Sterne-Regen über Deutschlands Köchen

Immer im November steigt in Deutschlands Spitzengastronomie die Spannung. Die Veröffentlichung des neuen Restaurantführers „Guide Michelin“ bringt es an den Tag: Welche Topköche halten ihr Niveau, wo sind aufgehende Sterne, wer verliert?

Die Spitzengastronomie in Deutschland befindet sich seit Jahrzehnten im Aufschwung. Die Zahl der Restaurants, die vom Gourmetführer „Guide Michelin“ mit ein, zwei oder drei Sternen ausgezeichnet werden, nimmt von Jahr zu Jahr zu. Ob sich der Trend fortsetzt, wird die bei Feinschmeckern mit Spannung erwartete Veröffentlichung der Ausgabe 2018 am Dienstag zeigen. Vorab gilt wie immer höchste Geheimhaltung.

Der Direktor des „Guide Michelin“ Deutschland/Schweiz, Ralf Flinkenflügel, verrät zumindest, dass sich der seit einigen Jahren etablierte Trend zum casual fine dining fortsetzt. Das heißt: Viele Sterne-Restaurants verzichten inzwischen auf weiße Tischdecken und formelle Atmosphäre. „Immer mehr Restaurants haben diese Steifheit rausgenommen“, sagt der 52-Jährige. „Sie schaffen den Gästen eine Atmosphäre, in der sie sich wohler fühlen. Es ist schön, dass der Gast die Möglichkeit hat zu wählen.“

Weiter auf dem Vormarsch sind regionale Küche und vegetarische oder vegane Gerichte auf den Speisekarten. Ob die Sterne-Küche hier gesellschaftlichen Entwicklungen nur folgt oder sie mit antreibt, ist offen. Auch ein weiterer Trend bleibt ungebrochen: „Junge Küchenchefs setzen weiter Impulse“, sagt Flinkenflügel.

Der „Guide Michelin“ 2018 verabschiedet eine Ikone der deutschen Sterne-Gastronomie in den Ruhestand. Nach einem Vierteljahrhundert ununterbrochener Auszeichnung mit drei Sternen ist der 62-jährige Harald Wohlfahrt nicht mehr vertreten. Die Übergabe an seinen langjährigen Sous-Chef und Nachfolger im Gourmetrestaurant „Traube Tonbach“ in Baiersbronn im Schwarzwald, Torsten Michel, verlief allerdings mit unschönen Nebengeräuschen und einem Arbeitsrechtsstreit.

Harald Wohlfahrt gab die Position als Chefkoch in der Schwarzwaldstube in Baiersbronn ab. Foto: reporters

Harald Wohlfahrt gab die Position als Chefkoch in der Schwarzwaldstube in Baiersbronn ab. Das Ende einer Ära. Foto: reporters

„Man kann vor ihm nur den Hut ziehen“, sagt Flinkenflügel. Was Wohlfahrt in 40 Jahren in der „Traube Tonbach“ geschaffen habe, sei eine ganz hervorragende Leistung. Etwa die Hälfte der Drei-Sterne-Köche in Deutschland habe seine Schule durchlaufen. „Er ist eine ganz wichtige Persönlichkeit, die die deutsche Gastronomie nach vorne gebracht und mitgeprägt hat.“

Ob es eine Art Nachfolger in der Szene gibt, werde sich erst in den nächsten Jahren herauskristallisieren. Viele der Drei-Sterne-Köche seien noch jung. Einige hätten schon ihren Beitrag in der Ausbildung von Top-Küchenchefs geleistet. „Da müssen wir uns gedulden.“

In der „Traube Tonbach“ sei der Nachfolger seit Jahren auf den Wechsel vorbereitet worden. „Natürlich ist der Küchenchef ein wichtiger Faktor. Aber dahinter steht immer noch ein Team. Ohne das Team kann der Küchenchef diese Leistung auch nicht bringen“, sagt Flinkenflügel.

Einen traurigen Abschied gab es im Sommer: Drei-Sterne-Koch Helmut Thieltges aus dem rheinland-pfälzischen Dreis starb im Juli im Alter von 61 Jahren. Er war Küchenchef im Restaurant „Sonnora“ im familiengeführten „Waldhotel“.

Der Hotel- und Restaurantführer des französischen Reifenherstellers gilt unter Gourmets als „Bibel der Feinschmecker“. Die ersten Sterne in Deutschland gab es vor 52 Jahren, drei Sterne verlieh der „Guide Michelin“ erstmals 1980. Die Ausgabe 2017 zählt insgesamt 292 Sterne-Küchen auf, darunter zehn mit drei Sternen.
Unter den Bundesländern steht Baden-Württemberg seit Jahren mit großem Vorsprung an der Spitze der Sterne-Gastronomie. Daran wird sich ganz sicher auch mit der Ausgabe 2018 nichts ändern. (dpa/Foto: Stephanie Pilick)

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