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„Für den Fleischsommelier ist das ganze Tier ein Edelstück“

Der junge Fleischsommelier Simon Claßen (26) von der Fleischerei Claßen aus Jülich gab kürzlich bei einem Seminar im ZAWM Einblick in versteckte Cuts, Tierhaltung, Reifungsmethoden und Zubereitungstechniken. Damit war dieser neuartige Workshop nicht nur für Fleischer, sondern auch für Köche und Grillmeister hoch attraktiv. Neben Top-Qualität geht es dabei um die verbesserte Wirtschaftlichkeit. Bei dieser LevelUp-Veranstaltung wurden die Dinge nicht theoretisch vermittelt, sondern in der Küche direkt aktiv angepackt und ausprobiert. Es wurde feinstes Fleisch verkostet.

Man hat ja schon viel gehört, aber Fleischsommelier ist doch etwas Neues. Warum ist diese Bezeichnung angemessen, und was zeichnet einen Fleischsommelier eigentlich aus?

Sehen sie, damit ist es so wie beim Sommelier für den Wein. Der Weinsommelier ist der, bei dem alle Kompetenzen in Sachen Wein zusammenlaufen. Ein Fleischsommelier ist in erster Linie ein Genussbotschafter, der den Geschmack beschreibt, Fleisch erlebbar macht und Unterschiede erklären kann. Der Fleischsommelier muss gewisse Stellschrauben betrachten, welche am Ende ausschlaggebend für das perfekte Fleischstück passend zum jeweiligen Gericht sind. Betrachtet wird die Genetik, die Tierrasse, das Geschlecht, die Haltung der Tiere, die Fütterung , das Alter, der Transport, die stressfreie Schlachtung, die Zerlegungstechnik , die Reifung der jeweiligen Teilstücke, die Lagerung, der Zuschnitt, die Vermarktung und am Ende natürlich die Zubereitung und Veredelung. Aus diesem Grund sehe ich mich als Vermittler zwischen unseren Landwirten und den Gastronomen, zwischen den Landwirten und den Kunden, zwischen Tier und Teller. Ich nehme den Gast mit auf eine Reise, zum Beispiel auf eine Reise in den Naturpark Nordeifel, wo die Englisch-Longhorns unserer Züchterin Sabine Zentis auf naturbelassenen ungedüngten Wiesen grasen und sich auf die natürlichste Art entwickeln können. Denn wir sagen, dass nur gut schmecken kann, was gut gelebt hat.

„Es geht darum wegzukommen von der überholten Sichtweise, dass nur bestimmte Stücke etwas wert sind.“ Foto: Sven Hoppe/dpa

Das ist ein breites Spektrum. Worum ging es nun genau im Seminar bei LevelUp im Eupener ZAWM?

In meinem neuen Seminar gebe ich Einblick in unsere Erfahrungen und zeige was passiert, wenn man sich traut das Lebensmittel Fleisch anders zu denken. Es geht darum wegzukommen von der überholten Sichtweise, dass nur bestimmte Stücke etwas wert sind. Für den Fleischsommelier ist das ganze Tier ein Edelstück. Jedes Teilstück hat seine Vorzüge. Es geht es darum, diese zu erkennen und richtig einzusetzen. Natürlich gibt es unterschiedlich zarte Stücke am Tier, aber muss es denn immer zart sein? Wir müssen uns vor Augen führen, dass jedes Teilstück aus einem Lebewesen stammt. Folglich ist es unsere Pflicht, dieses möglichst komplett zu verwerten und zu veredeln, um das Beste aus den jeweiligen Stücken herauszuholen. Oft sind es Omas Schmorbraten oder Mamas Rouladen, welche als Lieblingsgerichte hierzulande bezeichnet werden und diese sind nicht aus den zartesten Teilstücken geschnitten, sondern erlangen ihre Zartheit und den Geschmack über einen kontrollierten Garverlauf.

Das heißt, Ihr Seminar beleuchtet auch das, was in der Küche gemacht werden kann. Wie kombinieren Sie Theorie und Praxis?

In dem Seminar berichte ich von den Erkenntnissen meiner Walz und vom modernen Metzgerhandwerk. Wir sprechen über die Schlachttiere und betrachten verschiedene Haltungsformen sowie den Bewegungsapparat der Tiere, bevor wir uns den Zuschnitten (Cuts) widmen. Diese werden am Tier gezeigt und verköstigt. Aus bestimmten Schmorbratenstücken wird mit dem ein oder anderen kleinen Trick ein fantastischer Steakzuschnitt. Des Weiteren werden verschiedene Reifeverfahren erklärt und in der darauffolgenden Verköstigung analysiert. Da hat sich so mancher Gaumen gefreut.

Tierhalter, Köche und Grillmeister scheinen aus Ihren Seminaren etwas mitzunehmen. Was ist dabei so besonders?

In meinen Seminaren wird immer alles direkt ausprobiert. Unter anderem kommt z. B. der Beefer und das BigGreenEgg zum Einsatz. Bei dem letzten Seminar war ein Koch aus einem Restaurant mit einem Michelin-Stern dabei. Das war David Stadler, Souschef im Hotel zur Post in St.Vith. Er hat uns erlaubt ihn zu zitieren, er sagt, dass war „für mich als Koch in der Spitzengastronomie eine totale Bereicherung“. Das hat mich bestätigt und sehr gefreut. Zudem stehe ich in ständigem Kontakt zu Landwirten und Gastronomen und halte regelmäßig Vorträge. Um ein paar zu nennen: z. B. beim Rheinischen Landwirtschafts-Verband e.V in Bonn oder bei ausgewählten Mitgliedern der Bäuerlichen Erzeugergemeinschaft Schwäbisch-Hall. Unter anderem habe ich in der Genussschule von Rainer Hensen den Bio-Spitzenköchen etwas über das Longhorn erzählt und in der Praxis veranschaulicht. Unsere drei Berufsgruppen sind seit Jahrhunderten eng verknüpft und es wäre schade, wenn man nicht voneinander lernen würde.

Mit Fett marmoriert und lange gereift: Sogenanntes Dry-aged-Beef ist am Knochen trocken gereiftes beziehungsweise trocken abgehangenes Rindfleisch. Foto: Bodo Marks/dpa-tmn

Das hört sich sehr umfangreich an – aber nicht einfach. Was ist Ihr persönlicher Erfolgsschlüssel?

Im Handwerk ist nicht mit dem Titel zum Meister oder Sommelier Schluss. Man lernt nie aus und gerade das finde ich so spannend. Ich halte Augen und Ohren offen und suche den Austausch in meinem Netzwerk. Wir Menschen braten Fleisch seitdem wir Feuer machen – also über 80.000 Jahre – und trotzdem ist noch lange nicht jedes Schnitzel vernünftig zubereitet. Am Ende gilt es Bewährtes und Neues zu kombinieren um an die Zeit angepasst vermarkten zu können. Teilstücke wie Roastbeef und Filet sind da uninteressant, die verkaufen sich von selbst. Schafft man es aber eine Rinderzunge oder eine Schweinefettbacke so zu veredeln, dass der Gast immer wieder danach fragt, dann ist man auf dem richtigen Weg.

Das hört sich tatsächlich überzeugend an. Sie haben ihren Einstieg in Ostbelgien mit der LevelUp-Akademie des ZAWM Eupen getan. Wie geht es weiter?

LevelUp ist für mich als Sommelier die perfekte Plattform. Sie sind kompetent und anerkannt. Für uns ist das erst der Anfang. Gemeinsam mit dem Team von LevelUp wollen wir noch einiges mehr machen. Am 30. März 2veranstaltet LevelUp ein Event rund um Gastronomie, an dem ich auch teilnehme. Das wird eine tolle Sache, denn da werden neben Fleisch noch viele andere interessante Themen angesprochen. Ende 2020 legen wir dann das Seminar Fleischsommelier nochmal neu auf. Ich freue mich schon wieder auf Ostbelgien, da dort Essen und Trinken einen besonders hohen Stellenwert hat – damit macht es extra Spaß. (red/Foto: Boris Roessler/dpa)

Mehr Info gibt es unter www.levelup-akademie.be levelup@zawm.be oder 087 59 39 80.

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